Diese Blick-Recherche beschäftigt nun die Behörden: Ein Zürcher Hausarzt hat etwa 220 Patientinnen und Patienten die Corona-Impfung in Rechnung gestellt, die eigentlich gratis sein soll. Wenn er tatsächlich systematisch doppelt abgerechnet hat, droht ihm ein Berufsverbot. Die Zürcher Gesundheitsdirektion (GD) ermittelt.
Der Hausarzt ist aber kein Einzelfall. Mehrere Blick-Leserinnen und -Leser haben ähnliche Erfahrungen gemacht. Einer von ihnen: Andreas T.* (36) aus Bülach ZH. Er hat seinen fünfjährigen Sohn in Zürich impfen lassen. Danach erhielt er per Post eine Rechnung von über 90 Franken. «Für eine Minute Beratung und 15 Minuten im Warteraum nach der Impfung. Das gibt einen stattlichen Stundenlohn!», sagt er zu Blick. Die Impfung selber ist gratis. Beim Kinderarzt fallen aber Gebühren an.
«Das finde ich frech. Man macht eine grosse Kampagne, dass man sich impfen lassen soll. Von den versteckten Kosten findet man aber nirgendwo etwas», sagt er. Den Selbstbehalt hat T. zähneknirschend bezahlt. Er wünscht sich aber eine bessere Aufklärung. «Es kann nicht sein, dass die Eltern wegen der Kosten ihre Kinder nicht impfen lassen.»
«Habe meine Hausärztin sofort gewechselt»
Erna W.* (80) aus Wil SG hat sich im März 2021 bei ihrer Hausärztin gegen Corona impfen lassen. Auch sie wurde danach zur Kasse gebeten. Die Rechnung über 57.15 Franken hat sie aber nicht akzeptiert und schon gar nicht bezahlt. «Die Impfung ist doch gratis! Ich wusste nicht, was das soll», sagt sie.
Die Hausärztin rechtfertigte sich: Die Buchhaltung sei davon ausgegangen, dass sie wegen ihres Jahrgangs 1942 eine spezielle Nachbetreung brauche. «Nur weil ich meine Rechnung gut kontrolliert habe, habe ich das Geld zurückbekommen. Viele machen das nicht, und zahlen Arztrechnungen einfach, weil sie den Medizinern vertrauen. Ich hab meine Hausärztin sofort gewechselt!», sagt sie.
Systematisches Problem?
Hat die Schweiz ein systematisches Problem mit Ärzten, die ihre Patienten mit der Corona-Impfung abzocken? «Nein», sagt Charlotte Schweizer (42), Sprecherin vom Berufsverband der Schweizer Ärzte. «Die meisten Hausärzte haben die Covid-Impfung in ihren Praxen angeboten als Dienstleistung für ihre Patienten, obwohl die Impfung nicht kostendeckend tarifiert war.»
Schweizer weist daraufhin, dass die Vergütung der Corona-Impfung mehrmals geändert hat. «Wir haben unsere Mitglieder immer proaktiv informiert. Aber manchmal stand der definitive Tarif erst rückwirkend fest.» Ein Beispiel: Seit dem neuen Jahr können Beratungen zur Corona-Impfung zusätzlich verrechnet werden, wenn sie über den üblichen Beratungsaufwand hinausgehen.
«Corona-Impfung ist für Hausärzte defizitär»
Vor allem ärgert sich Schweizer darüber, dass die so wichtige Corona-Impfung für die Hausarztpraxen nicht attraktiv ist. «Das eine ist der enorme bürokratische Aufwand, das andere ist die Tatsache, dass eine Corona-Impfung für die Hausärzte nicht kostendeckend ist. Sie erhalten nur 29 Franken als Entschädigung – zu wenig!»
Dabei spielen nach Ansicht von Schweizer die Hausärzte eine besonders wichtige Rolle in der Pandemie. «Wer der Impfung skeptisch gegenübersteht, kann sich beim Hausarzt seines Vertrauens beraten lassen.» Ihre Überlegung: Je mehr Hausärzte die Corona-Impfung angeboten hätten, desto mehr Menschen hätten sich impfen lassen.
*Namen geändert