Abgeschriebene Coco Bonds
«Ich habe niemals mit einem Totalausfall gerechnet»

Die Finma hat die Abschreibung von 16 Milliarden Franken, die in Coco-Bonds der Credit Suisse investiert sind, veranlasst. Dieser Vorgang bleibt höchst umstritten. Klagen sind in Vorbereitung. Eine rasche Lösung hingegen in weiter Ferne.
Publiziert: 06.04.2023 um 11:54 Uhr
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Die AT1-Obligationen, die von der CS emittiert wurden, sind vom Bund für wertlos erklärt worden.
Foto: keystone-sda.ch
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Jean-Claude RaemyRedaktor Wirtschaft

Nick Vogel* (67) ist Verwaltungsrat bei einem Versicherungskonzern – und einer von vielen Geschädigten der CS-Notrettung. In seinem Fall wurden 200'000 Franken, die er in AT1-Anleihen, sogenannte «Coco-Bonds», investiert hatte, über Nacht wertlos.

«Ich hätte niemals gedacht, dass meine Anlage einfach so, ohne mein Zutun abgeschrieben wird», sagt Vogel. Als Finanzfachmann kennt er sich gut mit Anlagevehikeln aus und hat sicher nicht blauäugig angelegt. Vor vier Jahren empfahl ihm sein Vermögensverwalter die AT1-Obligationen.

Auf diese gab es einen hohen Zins von 7,5 Prozent, dafür mussten im Minimum 200'000 Franken gezeichnet werden. «Mir wurde auch das Risiko erklärt: Falls die Kernkapitalquote der Emittentin unter ein bestimmtes Niveau fällt, kann meine Anleihe ohne meine Zustimmung in Eigenkapital umgewandelt werden.» Vogel war sich bewusst, dass ein Ausfallrisiko besteht und seine Obligationen plötzlich schwach bewertete Aktien sein könnten.

Aber ein kompletter Abschreiber? «Gerade angesichts der ‹Too-big-to-fail›-Regelung habe ich niemals mit einem Totalausfall gerechnet», so Vogel.

Klagenflut? Vorerst nicht!

Da in der Schweiz auch schon Coco-Bonds ab 5000 Franken verkauft werden, sind nicht nur institutionelle Anleger betroffen, sondern auch viele private Anleger. Sammelklagen sind aber nicht zulässig. Die Lösung: eine Musterklage. Kommt eine solche vor einem Schweizer Gericht erfolgreich durch, existiert eine Blaupause für weitere private Klagen, die dann gute Erfolgsaussichten haben.

Doch wer strebt eine solche an? Der im Sommer 2021 gegründete Schweizer Anlegerschutzverein (SASV) prüft die Möglichkeiten. Dessen Generalsekretär Arik Röschke (38) erklärt gegenüber Blick, der SASV sei in Kontakt mit diversen Kanzleien, um zu sehen, ob Chancen für eine erfolgreiche Klage bestehen. Es gelte zu sehen, wie Juristen auf Kläger- und Verteidigerseite argumentieren und wie die Schweizer Öffentlichkeit die Sache wahrnimmt.

Eine «Klagenflut» erwartet Röschke vorerst nicht. «Grosse institutionelle Anleger müssen klagen, schon nur wegen der Sorgfaltspflicht», sagt er. Diese prüfen ihre Chancen gesondert, kleinere Anleger erhalten unter anderem beim SASV kostenlos Hilfe. Da die Materie komplex ist, geht Röschke davon aus, dass Klagen erst kurz vor Ablauf der Eingabefrist eingereicht werden. «Die Frist für das Einreichen einer Klage beträgt drei Jahre.» Für Geschädigte bestehe kein Grund, voreilig eine Klage anzustrengen, die möglicherweise hohe Kosten mit sich bringt, ohne klare Erfolgschancen zu haben.

Was wäre allenfalls justiziabel?

Die CS-Notrettung schafft einen Präzedenzfall. Abschreiber von Coco-Bonds gab es im Zusammenhang mit anderen Bankrettungen schon, laut Röschke etwa bei der österreichischen Hypo Alpe Adria, der irischen Anglo Irish Bank und der spanischen Banco Popular 2017. In letzterem Fall erlitten aber auch die Aktionäre einen Totalverlust, was bei der CS nicht der Fall ist.

Bei nachfolgenden Klagen in Spanien ging es meist um die Frage, warum entgegen üblicher Praxis die Anleihebesitzer ihr Geld vor den Aktienbesitzern verloren. In der Schweiz wird derselben Frage entgegengehalten, dass die Credit Suisse nicht Konkurs gegangen sei, sondern von der UBS aufgekauft wurde. Zudem sei in Prospekten der AT1-Anleihen aufgeführt, dass die Finanzmarktaufsicht (Finma) im Notfall das Recht habe, AT1-Anleihen abzuschreiben, oder dass solche verfallen, wenn der Staat bei einer Rettung hilft.

Trotzdem bleiben für Röschke Fragen offen: Warum wurde der UBS offenbar gewährt, 16 Milliarden Franken an CS-Schulden in Form dieser Coco-Bonds einfach abzuschreiben, statt sie zu übernehmen – bei einem Kaufpreis von lediglich 3 Milliarden Franken? Warum kamen vier Tage vor dem Untergang der CS noch Vertrauenssignale von Finma und Nationalbank hinsichtlich deren Kapitalisierung, worauf viele Anleger noch Coco-Bonds der CS kauften? Und wie schlimm waren diese Vorgänge für den Finanzplatz Schweiz und für das Vertrauen in Coco-Bonds?

Coco-Bonds erholen sich

Vogel glaubt, dass das Vorgehen des Bundes eine «Katastrophe» für das Geschäft mit Coco-Bonds sei: «Dieser Markt dürfte nun stark einbrechen.»

In der Schweiz emittieren auch die Zürcher Kantonalbank (ZKB) sowie Raiffeisen Coco Bonds. ZKB-Sprecher Marco Metzler bestätigt, dass AT1-Anleihen zunächst etwa 5 bis 7 Prozentpunkte an Wert verloren. «In der letzten Woche gab es jedoch wieder vermehrt Käufer und die Preise haben sich etwas erholt.» Dann fügt er an: «Dass viele Investoren die Risiken der CS-AT1-Anleihen erkannten, zeigt sich daran, dass diese bereits vor der Übernahme der CS nur noch etwa ein Drittel ihres ursprünglichen Wertes hatten.»

Wurde das Anlagerisiko genügend deutlich deklariert oder handelte es sich um eine widerrechtliche Abschreibung? Genau das werden Gerichte klären müssen.

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