Aber mehr im Portemonnaie bleibt nicht
So hoch steigt der Lohn in deiner Branche

Die Arbeitskräfte in der Schweiz werden im nächsten Jahr durchschnittlich 1,9 Prozent mehr Lohn erhalten. Die Freude dürfte sich jedoch in Grenzen halten. Unter dem Strich sinkt der Reallohn wegen der Teuerung.
Publiziert: 08.11.2023 um 10:43 Uhr
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Aktualisiert: 08.11.2023 um 16:00 Uhr
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In der Gastronomie und Hotellerie steigen die Löhne gemäss UBS um 2,8 Prozent. Über alle Branchen sind es 1,9 Prozent.
Foto: Pius Koller
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Martin SchmidtRedaktor Wirtschaft

Die Arbeitskräfte in der Schweiz können 2024 mit durchschnittlichen Lohnerhöhungen von 1,9 Prozent rechnen, wie die aktuelle Lohn-Umfrage der UBS zeigt. Die Grossbank hat dafür 389 Unternehmen aus 22 Branchen befragt, die etwa 90 Prozent der Erwerbsbevölkerung repräsentieren.

«Über die Branchen hinweg sehen wir bei den Lohnerhöhungen nur geringe Abweichungen», sagt UBS-Ökonom Florian Germanier. Am stärksten ziehen die Löhne mit 2,2 Prozent im öffentlichen Sektor an. In zahlreichen Branchen geben die Unternehmen an, die Löhne im Schnitt um 2 Prozent zu erhöhen. Darunter die Uhren- und Schmuckbranche, Informatik- und Telekomdienste, Banken und Versicherungen sowie Chemie und Pharma. Besonders profitieren die Angestellten in der Pharmabranche, mit einer überdurchschnittlichen Lohnsteigerung von 2,5 Prozent.

Gastronomie-Angestellte schwingen obenaus

Freuen dürfen sich gemäss Germanier die Tourismusangestellten. «Schaut man nur die Hotellerie und Gastronomie an, dann sieht man einen starken Lohnanstieg von 2,8 Prozent», so Germanier.

Die Schlusslichter der Umfrage sind die Medienbranche (1 Prozent) sowie die Nahrungsmittelproduktion und der Grosshandel mit 1,5 Prozent.

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Viele Angestellten im Land müssen im nächsten Jahr jedoch mit einer sinkenden Kaufkraft rechnen. Die UBS erwartet eine Teuerung von 2 Prozent, womit die Reallöhne um 0,1 Prozent sinken. 2023 stiegen die Reallöhne um gerade mal 0,1 Prozent und im Jahr davor sanken sie gar um 1,9 Prozent. Auch 2021 lag das Reallohnwachstum praktisch bei null.

Schwache Konjunktur als Hauptgrund

Entsprechend hat die Inflation auch bei den Angestellten noch mal an Bedeutung gewonnen. Die Firmen sehen sich gemäss Umfrage deutlich öfter mit der Forderung nach einem Teuerungsausgleich konfrontiert. 72 Prozent der Firmen sagen, dass ihre Angestellten einen Ausgleich verlangen. Im Vorjahr waren es noch 65 Prozent.

«Lohnverhandlungen finden jedoch nie im luftleeren Raum, sondern immer in einem gesamtwirtschaftlichen Kontext statt», betont UBS-Chefökonom Daniel Kalt. Und hier prognostiziert die UBS fürs nächste Jahr ein unterdurchschnittliches Wirtschaftswachstum in der Schweiz von 1,2 Prozent. Das geben auch die Firmen in der Umfrage wieder: 41 Prozent der Firmen sagen, dass die finanzielle Lage des Unternehmens bei den Lohnverhandlungen ausschlaggebend sei.

Gemäss Arbeitgeberverband liegt nicht mehr drin

«Der vorhergesagte Reallohnverlust ist natürlich bedauerlich. Doch die Betriebe spüren die abflachende Wirtschaft und können nicht das Risiko eingehen, zu hohe Löhne zu bezahlen, die sie dann finanziell nicht tragen können», sagt Simon Wey (47), Chefökonom beim Schweizerischen Arbeitgeberverband, kurz SAV. Gerade die exportorientierte Industrie spüre die schwächelnde Weltwirtschaft. Zudem könnten die Betriebe die höheren Kosten als Folge der Teuerung und der höheren Zinsen oftmals nicht einfach an ihre Kunden weitergeben.

Die Entwicklung in den Niedriglohnbranchen Detailhandel und Gastgewerbe sieht Wey hingegen positiv: «Es ist ein gutes Zeichen, dass diese den Lohn überdurchschnittlich erhöhen wollen.»

Viele Branchen der Binnenwirtschaft haben bis zuletzt von der guten Konsumstimmung in der Schweiz profitiert. «Diese hat sich nun etwas verschlechtert», so der Chefökonom. Für ihn ist klar: «Die Reallohnverluste schmerzen auch die Wirtschaft, profitiert doch auch sie von einer hohen Kaufkraft. Mittelfristig wird es auch wieder Jahre geben, in denen die Arbeitnehmenden von steigenden Reallöhnen profitieren werden.» So wie es in der Vergangenheit oft der Fall gewesen sei.

«Beschämend und Gefahr für die Zukunft»

Nach Berechnungen des Arbeitnehmendenverbands Travailsuisse sind die Reallöhne für Personen, welche nicht einem Gesamtarbeitsvertrag unterstellt sind, auch im letzten Jahr gesunken. «Wir hätten damit den dritten Reallohnverlust in Folge. Das hat es historisch noch nie gegeben. Das ist für eine Volkswirtschaft wie die Schweiz beschämend und eine Gefahr für die Zukunft», sagt der Präsident des Dachverbands Adrian Wüthrich (43). Die Gewerkschaften hatten fürs nächste Jahr Lohnerhöhungen von 3,5 bis 4,5 Prozent gefordert.

Wüthrich widerspricht der Argumentation des Arbeitgeberverbands. «Die Wirtschaftslage in der Schweiz ist gut. Allein vom Sommer 2022 bis zum Sommer 2023 hat die Wirtschaft 80’000 zusätzliche Stellen geschaffen.» Das Geld für grosszügigere Lohnerhöhungen sei dank Produktivitätsgewinnen durchaus vorhanden. «Doch die Gewinne gehen in die Taschen der Aktionäre. Allein im letzten Jahr wurden rekordhohe 44 Milliarden ausgeschüttet», so Wüthrich.

Mit den Reallohnverlusten würden die Arbeitgeber viel Goodwill verspielen, ist er überzeugt. «Die Angestellten sehen, dass es in den Betrieben gut läuft, sie davon aber nicht profitieren. Gleichzeitig liegen der Stress und die Belastung auf Rekordhöhe. Da stellen sich die Leute automatisch Fragen.»

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