Der Bundesrat will es allen recht machen – und enttäuscht damit viele. Die UBS soll in ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit nicht eingeschränkt werden. Die anderen systemrelevanten Banken sollen nicht zu stark unter neuen Regeln als Folge des Bankenbebens leiden. Und auch der Steuerzahler soll nicht vollends im Regen stehengelassen werden. Denn dieser müsste die Zeche bezahlen, sollte die letzte Grossbank UBS dereinst in Schieflage geraten.
Finanzministerin Karin Keller-Sutter (60) hat einen Bericht samt 22-Punkte-Plan vorgelegt, der verhindern soll, dass sich ein Desaster wie beim Untergang der Credit Suisse im März 2023 wiederholen kann. Dabei setzt die Regierung auf drei Schwerpunkte: Prävention und Liquidität stärken sowie die Abwicklung sicherstellen.
Bussen werden nur geprüft
Zu den präventiven Massnahmen zählen etwa die klare Zuordnung von Verantwortlichkeiten an einzelne Topmanager einer Bank und die Möglichkeit, Boni im Fall von Missmanagement rückwirkend zurückzufordern. «Die nachträgliche Rückforderung von Boni ist gut und recht. Doch wie soll das genau in der Praxis ausgestaltet werden?», fragt der sich der Finanzjurist Peter V. Kunz (59).
Ähnlich unkonkret bleibt der Bericht bei der Verhängung von Bussen durch die Finanzmarktaufsicht: «Seit der Finanzkrise wird über die Bussenkompetenz der Finma diskutiert. Diese Massnahme ist weitgehend unbestritten, doch der Bundesrat will sie lediglich prüfen», so Kunz. Dafür sollen die Möglichkeiten der Finma ausgebaut werden, frühzeitig bei einer Bank eingreifen zu können, wenn sich Ungemach abzeichnet. Und dieses Eingreifen soll zwecks Abschreckung öffentlich gemacht werden. Etwas, was den auf Diskretion bedachten Bankern nicht schmecken dürfte.
Ein zentraler Punkt ist die Stärkung der Eigenmittelanforderungen für systemrelevante Banken. Zum einen soll der Eigenmittelanteil, den die Stammhäuser für ausländische Töchter hinterlegen müssen, erhöht werden. Um wie viel, ist offen. Ausserdem sollen künftig Faktoren wie Risikoprofil des Geschäftsmodells, Ratings und anderes in die Berechnung des Eigenmittelanteils einfliessen. Und dieser soll mit der Grösse der Bank wachsen – wie schnell ist allerdings umstritten: «Generell ist die Progression bei den Kapitalanforderungen zu tief angesetzt», findet Aymo Brunetti (61), einer der Väter der Too-Big-To-Fail-Regulierung nach der Finanzkrise. Nicht nur dem Ökonomen geht der bundesrätliche Vorschlag zu wenig weit. Auch Kunz ergänzt: «Besonders fehlen mir konkrete Zahlen zu den Kapitalanforderungen an die UBS.»
Abwicklung soll möglich sein
Als die Kunden vor gut einem Jahr das Vertrauen in die CS verloren, haben sie ihr Geld in kurzer Zeit in grossem Stil abgezogen. Um die Widerstandskraft der Banken für solch einen Bankrun zu stärken, müssen sie künftig mehr Liquidität vorhalten. Zudem soll die Nationalbank zusätzliche Möglichkeiten erhalten, einer strauchelnden Bank zu Hilfe zu eilen.
Für den Steuerzahler besonders wichtig: Selbst eine Bank wie die UBS soll im Notfall abgewickelt werden können und nicht vom Staat gerettet werden müssen. «Offen bleibt die Frage, ob eine geplante Abwicklung einer Grossbank nach den geplanten Reformen auch wirklich durchgeführt werden kann», sagt Brunetti. «Wäre das nicht der Fall, müssten die Kapitalanforderungen deutlich erhöht werden.»
Offen bleibt die Frage, wie die Zusammenarbeit von Nationalbank, Finma und des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD) im Falle einer sich anbahnenden Bankkrise verbessert werden könnte. Der Bericht lässt durchschimmern, dass dabei im Falle der CS einiges nicht optimal gelaufen ist. Licht in dieses Dunkel dürfte der Bericht der Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) bringen, der Ende Jahr erscheinen soll.
Gefahr der Verwässerung
«Der Bericht ist ein bunter Strauss von Absichtserklärungen, die nichts Handfestes enthalten», urteilt Kunz. Brunetti ist etwas gnädiger: «Der Bundesrat hat eine umfassende Absichtserklärung vorgelegt und diese mit einem ausgiebigen Bericht untermauert.»
Auf dieser «Absichtserklärung» muss nun aufgebaut werden. Es braucht konkrete Verordnungen und Gesetze, die der Bundesrat erst noch ausarbeiten muss. Dabei droht schon in der Vernehmlassung die Gefahr, dass viele Massnahmen verwässert werden, weil sich die Banken vor zu vielen Regeln fürchten. Das gilt es, um jeden Preis zu verhindern.
So oder so: Die neue Verordnung wird bestenfalls im Jahr 2026 in Kraft treten können und die Gesetzesänderungen frühestens 2027. Wir erinnern uns: Bundesrat Alain Berset (52) hat einst 38 Massnahmen zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen vorgelegt. Das Ergebnis bis heute: Die Kosten – und in der Folge die Prämien – steigen munter weiter. Das sollte mit dem 22-Punkte-Plan zur Bankenregulierung nicht passieren. Sonst könnte es für die Schweiz, also für die Steuerzahlenden, sehr, sehr teuer werden.