Christophe Darbellay: «Flugbetrieb gehört zur heutigen Welt»
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Debatte um Lärm wegen Ausbau:Darbellay: «Flugbetrieb gehört zur heutigen Welt»

150'000 Passagiere als Ziel
Darbellay will mit Flughafen Sitten hoch hinaus

Der Kanton Wallis träumt von einem Ausbau des Flughafens in der Kantonshauptstadt. Mit dem Projekt will Regierungsmitglied Christophe Darbellay die Zahl der Fluggäste versechsfachen. Kritiker halten die Pläne für völlig utopisch.
Publiziert: 09.05.2022 um 01:22 Uhr
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Aktualisiert: 09.05.2022 um 07:50 Uhr
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Der Kanton Wallis möchte mit dem Flughafen in Sitten auf ein neues Level abheben. Dafür will er das aktuelle Betriebsgebäude ersetzen.
Foto: Martin Schmidt
Martin Schmidt

Wer vor dem Eingang des Regionalflughafens in Sitten VS steht, glaubt im ersten Moment, sich verlaufen zu haben. Direkt neben der kleinen Tür steht prominent ein blauer Abfallkübel, wie man sie sonst in Hinterhöfen findet. Abgesehen von den paar Arbeitern im Restaurant herrscht kaum Betrieb. Doch dann biegt ein schwarzer, schnittiger Privatjet auf das Rollfeld ein. Der Lärm der Düsen schwillt an, der Jet schiesst über die Piste, hebt ab und verschwindet als glänzender Punkt im Mittagshimmel.

Im letzten Jahr landeten und starteten in Sitten knapp 26'000 Passagiere. Einen grossen Teil davon machten Businessjets aus, die reiche Gäste für Ferien in Zermatt, Verbier oder Crans-Montana beförderten. «Allein für Millionäre und Milliardäre ist der Betrieb des Flughafens in Sitten jedoch nicht zu rechtfertigen», sagt der Walliser Staatsrat Christophe Darbellay (51) in seinem Büro an der Sittener Planta, dem geschichtsträchtigen Platz in der Kantonshauptstadt.

Passagiere stehen im Regen

Darbellay hat mit dem Regionalflughafen in Sitten Grosses vor: «Unser Plan ist es, den Flughafen in Sitten zu einem Tourismus- und Wirtschaftsmotor auszubauen.» Seitdem sich die Schweizer Armee 2018 vom Flugplatz zurückgezogen hat, arbeitet die Stadt Sitten als Betreiberin gemeinsam mit dem Kanton daran, in der zivilen Luftfahrt durchzustarten. Die Corona-Pandemie hat das Projekt ausgebremst, nun soll es neuen Schub erhalten.

Darbellay sieht den Gästekomfort als Trumpf. Derzeit müssen ausländische Gäste nach dem Flug nach Genf nochmals zweieinhalb Stunden mit dem öffentlichen Verkehr bis in den Weltkurort Verbier reisen. Vom Flughafen Zürich bis nach Zermatt dauert es sogar dreieinhalb Stunden. «Die Gäste sparen in Sitten bis zu zwei Stunden Anreisezeit», sagt Darbellay.

Doch der Sittener Airport muss erst für die zivile Luftfahrt flottgemacht werden. Im Wallis hört man oft, dass man zwar einen Flughafen habe, aber eben keinen richtigen. Es fehlt an der richtigen Infrastruktur: Landen in Sitten innert kurzer Zeit grössere Gästezahlen, finden sie in der Ankunftshalle nicht alle Platz – und müssen auch bei Regen im Freien warten. Das ist nicht der erste Eindruck vom Wallis, den Wirtschaftsminister Darbellay vermitteln möchte.

150'000 Passagiere als Ziel

Die Pläne sehen den Bau eines neuen Flughafengebäudes mit Einkaufsläden vor. Nach ersten Prognosen rechnet man mit Investitionen von 6,5 Millionen Franken. Derzeit fährt der Sittener Airport ein jährliches Defizit von knapp zwei Millionen Franken ein, das vom Kanton und der Stadt Sitten getragen wird. Das sei jedoch nur die eine Seite, betont Darbellay: «Der Regionalflughafen generiert bereits heute eine direkte und indirekte Wertschöpfung von 80 Millionen Franken.»

Zudem sucht man nach einem Partner aus der Flugbranche, der sich am Airport beteiligt und ihn betreibt. In den letzten Jahren erlebte Sitten in dieser Hinsicht gleich mehrere Bruchladungen – beispielsweise mit der einzig digital existierenden Firma Powdair, die Flüge von Sitten nach London und in die Niederlande anbieten wollte. Doch diesmal soll es klappen und dem Flughafen Sitten ein Vielfaches an Fluggästen bescheren. «In unserem Masterplan rechnen wir mit 150’000 Passagieren, jedoch erst in 10 bis 15 Jahren», sagt Darbellay.

Nationalrat sieht im Projekt ein Luftschloss

Im Wallis gibt es aber auch viele kritische Stimmen. Eine von ihnen ist Christophe Clivaz (53), Grünen-Nationalrat und ehemaliger Stadtrat von Sitten. «Wir müssen unseren CO2-Ausstoss reduzieren. Da macht es überhaupt keinen Sinn, in Zeiten des Klimawandels einen Flughafen auszubauen», sagt er. Clivaz befürchtet wie andere Einwohner von Sitten auch deutlich mehr Fluglärm.

Aus Clivaz' Sicht ist das Flughafen-Projekt ein Luftschloss: «Das grosse Potenzial, das der Kanton und die Stadt mit grossen Linienflügen sehen, gibt es schlicht nicht.» Der Nationalrat verweist auf Linienflüge in den letzten Jahren, die meist nach kurzer Zeit eingestellt worden sind. Bereits zwischen 1996 und 2005 wurde der Flughafen ebenfalls mit Linienflügen bedient, bevor der Betrieb aus finanziellen Gründen wieder eingestellt wurde.

Millionen-Projekte auch in Samedan und Dübendorf

Den Verantwortlichen für den Regionalflughafen Samedan GR schwebt ein gewaltiges Projekt vor. Bereits 2017 hatte die Oberengadiner Stimmbevölkerung einen 22-Millionen-Franken-Kredit gesprochen, mit dem der Flughafen für die Zukunft flottgemacht werden soll. Inzwischen ist von einer Totalmodernisierung von 88 Millionen Franken die Rede. Für Kritiker sprengt die Dimension jeden Rahmen. Sie fordern eine Bedarfsanalyse, die aus Sicht der Projektverantwortlichen nicht nötig ist. Auf dem Regionalflughafen wurden 2021 14'500 Flugbewegungen gezählt.

Ein noch grösseres Projekt liegt derzeit beim Zürcher Kantonsrat auf dem Tisch. Auf dem Gelände des früheren Militärflugplatzes in Dübendorf ZH soll für 97,5 Millionen Franken ein Innovationspark mit über 10'000 Arbeitsplätzen entstehen. Dort sollen künftig grüne Technologien vorangetrieben werden. Weitere 8,2 Millionen Franken sollen in die Entwicklung eines zivilen Flugplatzes fliessen. Bereits in zwei Jahren sollen die ersten Angestellten im Park arbeiten.

Den Verantwortlichen für den Regionalflughafen Samedan GR schwebt ein gewaltiges Projekt vor. Bereits 2017 hatte die Oberengadiner Stimmbevölkerung einen 22-Millionen-Franken-Kredit gesprochen, mit dem der Flughafen für die Zukunft flottgemacht werden soll. Inzwischen ist von einer Totalmodernisierung von 88 Millionen Franken die Rede. Für Kritiker sprengt die Dimension jeden Rahmen. Sie fordern eine Bedarfsanalyse, die aus Sicht der Projektverantwortlichen nicht nötig ist. Auf dem Regionalflughafen wurden 2021 14'500 Flugbewegungen gezählt.

Ein noch grösseres Projekt liegt derzeit beim Zürcher Kantonsrat auf dem Tisch. Auf dem Gelände des früheren Militärflugplatzes in Dübendorf ZH soll für 97,5 Millionen Franken ein Innovationspark mit über 10'000 Arbeitsplätzen entstehen. Dort sollen künftig grüne Technologien vorangetrieben werden. Weitere 8,2 Millionen Franken sollen in die Entwicklung eines zivilen Flugplatzes fliessen. Bereits in zwei Jahren sollen die ersten Angestellten im Park arbeiten.

Clivaz fordert deswegen gar einen Projektabbruch. «Viel klüger wäre es, den Flughafen zu verkleinern und ihn nur noch für Helikopter- und Rettungsflüge sowie Rund- und Forschungsflüge zu benutzen.»

Clivaz fordert teilweisen Rückbau des Flughafens

Auch der Aviatikexperte Hansjörg Egger (70) ist skeptisch: «Meiner Ansicht nach sind diese Pläne Wunschdenken. Regionalflughäfen haben generell grosse Mühe, wie auch das Beispiel Bern-Belp zeigt.» Die Schweiz sei für ihre Grösse mit ihren drei nationalen Flughäfen in Genf, Basel und Zürich im Vergleich zum Ausland sehr gut abgedeckt. «Hier bietet sich ein viel grösseres Angebot zu teilweise unschlagbaren Preisen», sagt Egger.

Ein Rückbau kommt für Staatsrat Darbellay nicht infrage. «Ein eigener Flughafen ist für eine Tourismusregion ein grosser Trumpf. Am Flughafen in Innsbruck wurden bis zur Corona-Pandemie jährlich rund 1,1 Millionen Passagiere befördert. Bei rund 18 Millionen Logiernächten, die das Wallis im Jahr generiert, hat der Flughafen in Sitten grosses Potenzial.»

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