Darum gehts
- Personalberater veröffentlicht anonymisierte Lohnabrechnungen auf Linkedin, um Lohntransparenz zu fördern
- Negative Reaktionen und Kritik folgen, aber auch reger Austausch über Gehälter
- In drei Monaten erhielt Mustafa rund 300 Lohnabrechnungen zwischen 4500 und 14'000 Franken
Und wie viel verdienst du? Bei vielen Leuten in der Schweiz löst diese Frage nach wie vor grosses Unbehagen aus. Gerade ältere Arbeitskräfte empfinden Diskussionen über ihr Salär als Eingriff in die Privatsphäre. Das kriegt auch Armend Mustafa (29) zu spüren. Der Geschäftsführer der Meron AG betreibt in Aarau eine Personalberatung und postet seit knapp drei Monaten anonymisierte Lohnabrechnungen auf der Jobnetzwerk-Plattform Linkedin. «Ich will das Lohntabu brechen», sagt er beim Treffen mit Blick.
Die erste Lohnabrechnung, die er ins Netz stellte: Personalberater für wichtige Kunden in der Region Zürich, 34-jährig, mit elf Jahren Berufserfahrung und einem Abschluss an einer höheren Fachschule, keine Personalführung. Diese Person verdient 11'833.35 Franken brutto im Monat (mal zwölf).
Mustafa erhält böse Nachrichten
Die negativen Reaktionen unter den Posts folgen prompt: Es sei nutzlos, solche Daten zu teilen. Es sei denn, man verfolge das Ziel, dass am Ende alle gleich viel verdienen. «Was soll der Mist?», fragt einer. Ein anderer wirft Mustafa Populismus vor. Also, dass er damit nur Leute gegeneinander aufbringt. «Ich verstehe nicht ganz, was diese Aktion soll? Für Transparenz sorgt sie jedenfalls nicht», kritisiert jemand.
«Ich habe einige böse Nachrichten erhalten», sagt der Personalberater Mustafa. Doch er habe mit emotionalen Reaktionen gerechnet und nimmt es sportlich. «Für viele Menschen in der Schweiz ist nach wie vor klar, dass man nicht über den Lohn und Geld spricht.»
Hunderte Kommentare
Die Beiträge werden teilweise hundertfach kommentiert. Und auch immer wieder bei Linkedin angeprangert und gemeldet. So hat das Netzwerk-Jobportal gleich mehrere der mittlerweile über 40 anonymisierten und von Mustafa online gestellten Lohnabrechnungen vorübergehend vom Netz genommen – zwei sogar dauerhaft. «Im einen Fall hatte der Arbeitgeber wenig Freude an der Transparenz», sagt er mit einem Augenzwinkern.
Lohntransparenz ist bei vielen Firmen noch immer ein Tabuthema. «Und darunter leiden vor allem die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Viele wissen nicht, was sie wert sind und wo sie sich punkto Lohn einordnen können», erklärt Mustafa seine Lohnabrechnung-Aktionen.
Zu viel, gerade fair oder zu wenig?
Wie Mustafa scheint auch vielen anderen Leuten im Land mehr Transparenz ein grosses Anliegen zu sein. In drei Monaten hat er rund 300 Lohnabrechnungen erhalten, die er posten darf. Die meisten liegen zwischen 4500 Franken und 14'000 Franken pro Monat. «Einige schicken ihre Abrechnungen, damit sie anhand der Reaktionen sehen, wo sie stehen.» Und das wird auch rege gemacht: In vielen Linkedin-Kommentaren tauschen sich die Nutzerinnen und Nutzer darüber aus, ob die publizierten Löhne zu niedrig, fair oder gar zu hoch sind.
Beispielsweise bei einem Projektleiter: Er ist 32-jährig, arbeitet bei einem Anlagebauer in St. Gallen, verfügt über vier Jahre Erfahrung, führt ein Team von 4 bis 6 Leuten, der höchste Abschluss ist technischer Kaufmann. Bei ihm schreiben gleich mehrere Personen, dass die 7030 Franken brutto mal 13 Monate inklusive Kinderzulagen zu wenig sind.
Mustafa erlebt in seinem Berufsalltag beide Extreme: «Es gibt Bewerberinnen und Bewerber, die exorbitant hohe oder viel zu tiefe Lohnvorstellungen haben. Und dann gibt es Arbeitgeber, die bei einem zu tiefen Vorschlag des Bewerbers einfach einschlagen, weil sie dann eine günstige Arbeitskraft kriegen», erzählt er.
Sind die Bewerber besser informiert, und herrscht in einer Firma mehr Lohntransparenz, würde die Bezahlung im Schnitt «fairer» ausfallen. Mit seinen Posts will Mustafa weiterhin dazu beitragen.