Patrizia Laeri (45) sorgt mit der Bekanntgabe ihres Lohns für Schlagzeilen – und laut eigenem Bekunden vor allem für Fortschritte im Kampf gegen den Gender Pay Gap, die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen. So lautet zumindest Laeris Begründung, warum sie diese Woche im Berufsportal Linkedin publik machte, dass sie sich im letzten Jahr monatlich 8000 Franken netto ausgezahlt habe.
Dafür erntet Laeri viel Zustimmung. Allerdings hat ihre Logik zwei Haken. Erstens ist Laeri selbständige Unternehmerin, entscheidet also selber darüber, wie viel Lohn sie sich auszahlt. Die Zahl ist somit weniger aussagekräftig als bei Angestellten.
Auf Laeris Plattform Elle XX geben allerdings weitere Frauen ihre Löhne preis, darunter solche in einem Anstellungsverhältnis. Eine Pfarrerin etwa gibt zu Protokoll, 120'000 Franken im Jahr zu verdienen. Bei einer Architektin sind es 75'000 Franken.
Boni bleiben verborgen
Der entscheidendere Mangel bei Laeris Begründung ist aber nicht das Anstellungsverhältnis, sondern zweitens: Mit Lohntransparenz allein ist es längst nicht getan. «Beim Lohnunterschied zwischen den Geschlechtern spielen variable Lohnbestandteile eine entscheidende Rolle», erklärt Helena Trachsel (64), Leiterin der Fachstelle Gleichstellung des Kantons Zürich. Dazu zählen etwa Boni. Und diese werden kaum je transparent gemacht.
Lohntransparenz helfe, die Diskussion über die Lohnlücke zwischen den Geschlechtern am Laufen zu halten, lobt Trachsel. «Aber die Lohntransparenz allein hilft noch nicht, die Unterschiede dann auch zu beheben.»
Entscheidender sei, die der Lohnungleichheit zugrunde liegenden Ursachen anzugehen – etwa dass Frauen nach wie vor den grössten Teil der unbezahlten Betreuungsarbeit leisten. «Es gibt bei den Löhnen eine Art Heiratsstrafe», kritisiert Helena Trachsel. «Singlefrauen verdienen praktisch gleich viel wie Männer. Erst wenn man Mutter wird, beginnen die Lohnunterschiede.»
Eines von drei Puzzleteilen
Weil sich Frauen im Schnitt weiterhin stärker um die Familie kümmern als Männer, arbeiten sie öfter in geringeren Teilzeitpensen – und landen bei der Karriere nicht selten auf dem Abstellgleis, verpassen Lohnrunde um Lohnrunde.
«Lohnanalysen sind ein Puzzleteil», fasst Trachsel zusammen. «Eine fairere Verteilung der Betreuungsarbeit sowie die Angleichung der Pensen sind die Puzzleteile zwei und drei.» Dazu brauche es flächendeckende – und bezahlbare – Kinderbetreuungsangebote, fordert Helena Trachsel.
Die gute Nachricht: Der aktuelle Fachkräftemangel bietet Frauen am Arbeitsmarkt nie dagewesene Chancen. Einige Arbeitsmarktexperten rechnen gar damit, dass die Geschlechterungleichheit schon in wenigen Jahren der Vergangenheit angehören könnte. Wenn Frauen dank mehr Lohntransparenz Ungerechtigkeiten feststellen, sitzen sie aktuell am längeren Hebel.