Ich mag die Kölner Kommissare Ballauf und Schenk. Diese Folge hätte ich im Nachhinein trotzdem nicht freiwillig geschaut – einen deprimierenderen Ausklang einer Woche muss man sich erst suchen. Eine Frau wehrt sich gegen ihren prügelnden Mann und denkt, sie habe ihn umgebracht. Sie flieht aus der gemeinsamen Wohnung und taucht als Obdachlose in der Stadt unter. Dort freundet sie sich mit einer ebenfalls obdachlosen Frau an, die ihr ein verschlossenes Couvert zur Aufbewahrung anvertraut und kurz darauf ermordet wird. Ballauf und Schenk ermitteln unter den Kölner Obdachlosen – und für uns Zuschauer wird klar, wie unüberwindbar die Hindernisse sind, wieder auf die Füsse zu kommen, wenn man erst einmal ganz unten angekommen ist.
Eigentlich gibt es nichts auszusetzen …
Gespielt ist das alles plausibel und wunderbar. Auch das Drehbuch ist solide gemacht und präsentiert gleich drei mögliche Motive und Täter. An der Kameraarbeit ist ebenfalls absolut nichts auszusetzen. Und es ist natürlich als Gesellschaft wichtig, sich stets zu vergegenwärtigen, dass es Menschen gibt, die ohne eigenes Zutun auf der Strasse landen. Und dass das Überleben dort sehr, sehr hart ist.
… ausser am gewählten Stoff
Nur, und das ist als Hinweis an die «Tatort»- und «Polizeiruf»-Macher gedacht: Muss ich mir das grosse Elend der Welt wirklich fast jeden Sonntag antun? Würde es nicht reichen, so alle vier oder fünf Monate die totale Sozialmisere über sich ergehen lassen zu müssen? Manchmal hätte man am Sonntagabend doch einfach gern Spannung und wohliges Gruseln, ohne zutiefst betroffen sein zu müssen. Unser normales Leben ist manchmal auch streng!
«Tatort»: Wie alle anderen auch, SRF 1, 20.05 Uhr
Wertung: Dreieinhalb von fünf