«Abgehoben, unerfahren, Fehlbesetzung!»
Ex-Material-Chef Gratzer geht auf Kontroll-Boss los

Der Skisprung-Bschiss eskaliert! Sepp Gratzer, der langjährige Material-Chef, schiesst gegen seine Nachfolger. Das vernichtende Urteil: «Sie haben versagt.» Der jetzige Boss hält dagegen.
Publiziert: 07.02.2023 um 14:40 Uhr
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Aktualisiert: 07.02.2023 um 16:44 Uhr
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Jetzt fliegen die Fetzen im Skisprung-Bschiss.
Foto: freshfocus
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Nicola AbtReporter Sport

Wer ist schuld am Anzugs-Bschiss im Skispringen? Für den jahrzehntelangen Chef-Kontrolleur Sepp Gratzer (67) ist die Antwort klar. «Meine Nachfolger. Die haben versagt.»

Vergangene Woche schilderte ein aktiver Skispringer gegenüber Blick, wie lasch die Kontrollen zurzeit sind. Seine ernüchternde Bilanz: «Es betrügen praktisch alle.» Vor zwei Jahren ging Gratzer in Pension. Gegenüber Blick erlärt er, was seiner Meinung nach seither alles schieflief.

So funktioniert der Skisprung-Bschiss

Wer im Skispringen weit fliegen will, der braucht viel Stoff – und das am richtigen Ort. «Dank wenigen Zentimetern mehr kann der Athlet bis zu zehn Meter weiter springen», erklärt Martin Künzle, der Schweizer Trainer. Ziel eines jeden Athleten ist es, den Schrittbereich voluminöser zu gestalten. Je mehr Stoff, desto stärker wirkt der Segeleffekt.

Ein aktiver Skispringer erklärte gegenüber Blick, wie er sich durch die Kontrolle schummelt: «Ich ziehe den Anzug nach oben, sodass an meinen Schultern vorübergehend deutlich mehr Stoff ist.» Damit dehnt er seine Beinlänge auf das geforderte Mass aus. Plus vier Zentimeter! Denn: «Das Ziel ist es, mit einer möglich kurzen Beinlänge springen zu können. Je kürzer die ist, desto voluminöser der Schritt.»

Wer im Skispringen weit fliegen will, der braucht viel Stoff – und das am richtigen Ort. «Dank wenigen Zentimetern mehr kann der Athlet bis zu zehn Meter weiter springen», erklärt Martin Künzle, der Schweizer Trainer. Ziel eines jeden Athleten ist es, den Schrittbereich voluminöser zu gestalten. Je mehr Stoff, desto stärker wirkt der Segeleffekt.

Ein aktiver Skispringer erklärte gegenüber Blick, wie er sich durch die Kontrolle schummelt: «Ich ziehe den Anzug nach oben, sodass an meinen Schultern vorübergehend deutlich mehr Stoff ist.» Damit dehnt er seine Beinlänge auf das geforderte Mass aus. Plus vier Zentimeter! Denn: «Das Ziel ist es, mit einer möglich kurzen Beinlänge springen zu können. Je kürzer die ist, desto voluminöser der Schritt.»

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Neue Messmethode

Im Frühling 2021 beerbte der Finne Mika Jukkara (59) Gratzer als neuer Material-Chef. Ein Jahr später war er wieder weg – auf eigenen Wunsch. Und mit ihm ging eine bewährte Messmethode. Sein Vorgänger nahm die Masse der Springer vor der Saison im Stehen. Seither werden sie im Sitzen und im Liegen vermessen. «Ein Fehler», meint Gratzer.

«Wenn der Athlet auf einer Platte steht, ist der Boden-Kontakt gewährleistet. Im Liegen ist der Fuss-Kontakt mit einer Fläche schwieriger. Sofort nehmen die Manipulations-Möglichkeiten zu», erklärt der Kärntner. Anhand dieser Messungen wird die Anzugsgrösse bestimmt. Wenige Zentimeter mehr Stoff tragen einen Athleten bis zu zehn Meter weiter.

Das ist Sepp Gratzer

Ein Leben im und für den Skisprungsport. Sepp Gratzer kam 1955 in der österreichischen Region Kärnten auf die Welt. Das Skispringen faszinierte ihn früh. Bei den Junioren gewann er mehrfach die Landesmeisterschaft. In der Saison 1973/74 nahm er an der Vierschanzentournee teil. Klassierte sich dabei in keinem Springen in den Top 60. Ein Kreuzbandriss zwang ihn wenig später zum Rücktritt. Nach dem Karriereende arbeitete Gratzer bis zu seiner Pension hauptberuflich beim österreichischen Zoll. Nebenbei war er als Trainer beim österreichischen Verband tätig. Was als Schüler-Trainer begann, endete als Co-Trainer der Skisprung-Nationalmannschaft. 1990 nahm er als Koordinator und Zuständiger für das Material innerhalb des Skisprung-Verbandes eine neue Herausforderung an. Im Frühling 2021 ging er mit 65 Jahren in Rente. Gratzer ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Ein Leben im und für den Skisprungsport. Sepp Gratzer kam 1955 in der österreichischen Region Kärnten auf die Welt. Das Skispringen faszinierte ihn früh. Bei den Junioren gewann er mehrfach die Landesmeisterschaft. In der Saison 1973/74 nahm er an der Vierschanzentournee teil. Klassierte sich dabei in keinem Springen in den Top 60. Ein Kreuzbandriss zwang ihn wenig später zum Rücktritt. Nach dem Karriereende arbeitete Gratzer bis zu seiner Pension hauptberuflich beim österreichischen Zoll. Nebenbei war er als Trainer beim österreichischen Verband tätig. Was als Schüler-Trainer begann, endete als Co-Trainer der Skisprung-Nationalmannschaft. 1990 nahm er als Koordinator und Zuständiger für das Material innerhalb des Skisprung-Verbandes eine neue Herausforderung an. Im Frühling 2021 ging er mit 65 Jahren in Rente. Gratzer ist verheiratet und hat zwei Kinder.

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Unerfahrener Chef

Seit Juli 2022 heisst der neue Kontroll-Boss im Weltcup Christian Kathol. Eine Fehlbesetzung, findet Gratzer. «Der hat nie richtig gelernt, wie das geht. Es fehlt an Fingerspitzengefühl. Es fehlt an Wissen. Es fehlt an der Kommunikation.» Kathol widerspricht: «Natürlich habe ich Erfahrung. Ich bin seit 2005 in verschiedenen Funktionen bei der FIS und war in den letzten Jahren Material Kontrolleur im FIS Cup.»

In einem Punkt gibt er seinem Landsmann recht. «An Kommunikation fehlt es in der Tat, allerdings aus der Richtung von Herrn Gratzer.» Dann wird er deutlich: «Uns wurde ein komplett intransparentes System übergeben. So wurden beispielsweise Absprachen mit Ski- und anderen Materialherstellern getroffen, über die es keinerlei Aufzeichnungen und Dokumentationen gab.» Die Antwort von Gratzer? Kopfschütteln.

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Unqualifiziertes Kontroll-Team

«Der einzige, der die Material-Kontrollen von der Pike auf kennt, ist der Schweizer Berni Schödler.» So das vernichtende Urteil von Gratzer über das 14-köpfige Kontroll-Team von Kathol. Die Equipe begutachtet alle Skisprung-Serien. Schödler ist der Material-Verantwortliche im Continental Cup, der zweithöchsten Wettkampf-Stufe.

Wieso der Schweizer Hubert Mathis (55) im Team von Kathol ist, kann Gratzer nicht verstehen. «Er ist ein sehr guter Funktionär, ein guter Veranstaltungs-Chef. Aber als Kontrolleur hat er keine Erfahrung.» Mathis ist seit über 20 Jahren für den Skisprung-Weltcup in Engelberg verantwortlich.

Kathol stellt sich vor sein Team und hinterfragt die Arbeit seines Vorvorgängers: «Er hat mit den meisten dieser Kollegen in leitender Funktion über 10 Jahre zusammengearbeitet. Er war aktiv an der Auswahl dieser Personen beteiligt. Wenn die Aussage von ihm stimmt, wurde die Aus- und Weiterbildung des Personals über einen sehr langen Zeitraum schwer vernachlässigt.» Und fügt an: «Die Betroffenen dürften von diesen Aussagen überrascht sein.»

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Arroganz

«Meine Nachfolger sind derart abgehoben, dass sie glauben, sie können alles. Wohin das geführt hat, sehen wir jetzt.» Ungläubig musste Gratzer feststellen, dass sein Rat nicht gefragt ist. «Es hat sich nie jemand bei mir gemeldet.» Darauf angesprochen feuert Kathol zurück: «Er hat seinem Nachfolger nach über zwei Jahrzehnten im Job nicht ein Blatt Papier übergeben. So konnte man eventuell vor 20 Jahren arbeiten, heute geht das nicht mehr.»

Eine Aussage von Kathol stösst Gratzer besonders sauer auf. Der neue Material-Boss forderte gegenüber Blick mehr Kontroll-Personal. Kopfschütteln beim Familienvater: «Früher haben wir das zum Grossteil auch alleine geschafft. Wir standen den Teams Tag und Nacht vor Ort zur Verfügung. Einen Material-Wirbel, wie den jetzigen, gab es nie.»

Früher seien die Skispringen bei Unzufriedenheiten zu ihm gekommen, heute gingen sie zu den Medien. «Das sagt alles über die neue Führung.» Kathol widerspricht vehement. «Was ich persönlich von Athleten und Trainern an Rückmeldungen bekommen habe, deckt sich in keiner Weise damit.» Zudem habe es auch früher bereits Anzugs-Ärger gegeben. Dass auch dazumal geschummelt wurde, bestätigte Ex-Weltmeister Andreas Küttel (43) im Blick.

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Fehlende Fortschritte

«Die einzige Errungenschaft war ein Laser-Messgerät. Und das ist alles? Sehr schwach.» Mit dem Laser könne man genauso falsch messen wie mit dem Massband. Kathol, der erst im Juli 2022 eingestellt wurde, nimmt sich aus der Schusslinie: «Die nächste Anpassung kann erst im April 2023 erfolgen.»

Dann könnte es zu einer Revolution kommen: «Die 3D-Messung wird entweder bereits in diesem Frühling oder dann sicher im kommenden Jahr installiert. Diese Entwicklungen wurden in der Vergangenheit verschlafen.» Spätestens dann sollte die Anzugs-Diskussion abklingen, so die Erwartung des Österreichers.

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