Zweimal fehlte nicht viel: 2018 verpasste Eisschnellläufer Livio Wenger (30) in Südkorea eine Olympia-Medaille nur um einen Rang, 2022 gab es bei den Spielen in Peking mit Rang 7 erneut eine Top-Platzierung. Der Luzerner zählt mittlerweile zur Weltspitze.
Ein erstaunlicher Aufstieg – schliesslich ist Eisschnelllauf hierzulande eine absolute Randsportart. Zu verdanken ist dies nicht zuletzt Trainer Kalon Dobbin (45).
Als Wenger gerade einmal sieben Jahre alt ist, trainiert er auf Inlineskates das erste Mal unter dem Neuseeländer. Jahrelang arbeitet man zusammen, bis es 2016 aufs Eis geht. 2018 schaffen es die beiden zu den Spielen von Pyeongchang, danach übernimmt Dobbin als Trainer sogar das Schweizer Eisschnelllauf-Nationalteam. Seither gehts steil nach oben. Hinter Aushängeschild Wenger laufen mittlerweile weitere Schweizer im Windschatten der Top-Stars.
«Ich war ziemlich schockiert»
Doch letzten Sommer kommt es zum Knall. Dobbins Vertrag wird beim Verband nicht verlängert. Der Grund: Ihm fehlen die nötigen Diplome. Völlig unverständlich, meint Dobbin: «Ich war ziemlich schockiert. Zwar wurde mir gesagt, dass ich Diplome brauche, wie ich an diese komme, jedoch nie.» Man habe ihn sogar in falscher Sicherheit gewiegt. «Bei den Olympischen Spielen (kurz vor Ablauf von Dobbins Vertrag, d. Red.) wurde mir von Swiss-Olympic-Verantwortlichen gesagt, dass das Ganze nicht so dringend sei. Und eine Ausbildung auf Englisch gibt es in der Schweiz gar nicht.»
Die Vorwürfe sind heftig. Swiss Olympic reagiert darauf nüchtern: «An Olympischen Spielen finden zahlreiche Gespräche statt, ein Jahr später ist es entsprechend schwierig zu eruieren, was alles besprochen wurde. Verbindlich ist, was schriftlich festgehalten wird, oder was in den Leistungsvereinbarungen steht», teilt Swiss-Olympic-Medienchef Alexander Wäfler mit. Man hätte jedoch auch einen Trainer ohne Diplome akzeptiert – einzig die Fördergelder an den Verband wären dadurch kleiner ausgefallen.
«Der Verband sitzt in einer Goldgrube»
Dobbin selbst ist auch Monate nach Vertragsende noch wütend: «Sie haben sich keine Mühe gemacht, das Problem zu lösen. Der Verband sitzt in einer Goldgrube, bekommt Geld für die Resultate der Athleten, die ich trainiert habe, und muss nichts dafür tun oder bezahlen.»
Harte Worte. Die Sprachbarriere sei beim Erwerb der Diplome durchaus eine Herausforderung, sagt Jan Caflisch, Vizepräsident von Swiss Ice Skating. Es fehle aber auch die Initiative Dobbins. «Es reicht nicht, wenn man nur darauf wartet, dass andere alles für einen machen. Er wohnt seit Jahren im deutschsprachigen Raum. Da könnte er sich auch schon einfach selbst an der Nase nehmen und die Sprache lernen», sagt Caflisch. Zwar sei es «bedauerlich, dass wir ihn aktuell nicht anstellen können», doch vonseiten des Verbands sei immer klargestellt worden, dass die notwendigen Kurse innert Frist zu absolvieren seien.
Ernüchterung bei den Athleten
Das angespannte Verhältnis zwischen Dobbin und dem Verband ist mittlerweile auch ins Athletenlager übergeschwappt. Die Läufer, die weiterhin beim Neuseeländer – nun aber im deutschen Inzell – trainieren, sind unglücklich. «Bei den Leistungen, die wir in den letzten Jahren erbracht haben, ist die Vertragsauflösung schwierig zu akzeptieren», meint Eisschnellläuferin Kaitlyn McGregor zur Trainer-Posse. Auch bei Star-Athlet Wenger ist die Ernüchterung gross: «Es ist sehr schade. Wir haben etwas Tolles aufgebaut mit ihm. Nun gilt es vorwärts zu schauen.»
Trotz verhärteter Fronten würde Dobbin eine Rückkehr als Nationaltrainer nicht ausschliessen. «Hat er die richtigen Diplome, stehen ihm meine Türen offen», meint auch Jan Caflisch. Hoffnung auf ein Happy End besteht also noch.