Was ist da bloss passiert?
Vom Curling-Traum-Quartett zum Knall in 12 Monaten

Vor sechs Wochen feiern sie gemeinsam den WM-Titel. Jetzt ist alles anders. Briar Schwaller-Hürlimann gehört nicht mehr zum Curling-Team von Silvana Tirinzoni. Aus dem Nichts knallts.
Publiziert: 05.05.2023 um 17:05 Uhr
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Aktualisiert: 05.05.2023 um 17:10 Uhr
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Im März ist die Curling-Welt noch in Ordnung: Silvana Tirinzoni, Alina Pätz, Carole Howald und Briar Schwaller-Hürlimann (v.l.) strahlen mit dem WM-Pokal.
Foto: freshfocus

Die Curlerinnen des CC Aarau um Skip Silvana Tirinzoni (43) haben unzählige Erfolge gefeiert. Doch nun kommts zum Knall. Von einem Moment auf den anderen wird aus dem Quartett (vorläufig) ein Trio. Briar Schwaller-Hürlimann (29) wird aus dem Team geschmissen. Dabei hat alles so schön angefangen. Was ist da nur passiert?

Trennung im April 2022

Im März 2022 feiert das Quartett Tirinzoni, Alina Pätz (33), Melanie Barbezat (31) und Esther Neuenschwander (39) den dritten WM-Titel in Serie. Das ist zuvor noch keinem Frauen-Team gelungen.

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Einen Monat später, am 25. April, verkündet das Team, dass sich die Wege der Athletinnen trennen. Barbezat und Neuenschwander haben sich entschieden, dem Curling den Rücken zu kehren.

«Melanie und Esther werden sich nach dieser Saison vom Spitzensport verabschieden. Melanie möchte in Zukunft den Fokus auf ihre eigene Physiopraxis legen und mehr Zeit mit ihrer Familie verbringen. Esther hat nach 18 Jahren auf Elite-Level genug vom Spitzensport. Sie ist neugierig, was das Leben als Nächstes bereithält und freut sich drauf, auch mal im Winter in die Ferien gehen zu können», schreibt das Team auf Instagram.

Wieder komplett

Pätz und Tirinzoni wollen nach der Halbierung ihres Teams weitermachen. Und werden schon wenige Wochen später fündig. Am 12. Mai 2022 geben sie bekannt, dass Schwaller-Hürlimann und Howald dazu stossen. Letztere ist in den Jahren davor bereits als Ersatzspielerin dabei, steigt nun fix ins Team ein.

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Das neuformierte Team ist ambitioniert und hat die Olympischen Spielen 2026 als Fernziel ins Visier genommen. «Bis dahin kann noch viel passieren, aber der Plan unserer Zusammenarbeit ist schon, bei den Winterspielen eine Medaille zu gewinnen», sagt Pätz gegenüber der «Aargauer Zeitung».

Dafür verbringt das Quartett im Sommer viel Zeit auf dem Eis und übt stunden-, wochen- und tagelang einzelne Elemente wie den perfekten In-Turn (Drehen des Steins im Uhrzeigersinn).

Erste gemeinsame Medaille

Das Team erreicht ein erstes gemeinsames Ziel und qualifiziert sich für die Europameisterschaft in Oestersund (Sd). Dort erreicht es im November 2022 den Final, verliert diesen allerdings 4:8 gegen Dänemark. Trotzdem ist die erste gemeinsame Medaille Tatsache.

Starke Saison

Dass die neue Konstellation funktioniert, zeigen die Curlerinnen den ganzen Winter. Sie nehmen an elf Turnieren teil, ziehen achtmal in den Final ein und triumphieren sechsmal. Mit diesen Ergebnissen übernehmen sie zwischenzeitlich die Spitze der Weltrangliste. Das kommt für Tirinzoni und Co. überraschend. Denn primär ist das Ziel für die Saison, dass man als Team zusammenwächst. «Es hat dann halt von Anfang an funktioniert», sagt Tirinzoni zur «Luzerner Zeitung». «Es ist doch wie in einer alten Beziehung – da tut frischer Wind auch immer gut.»

«Wir haben das als Chance betrachtet», fügt Pätz hinzu, betont aber auch, dass der Prozess der Teamfindung noch nicht abgeschlossen ist.

Ungeschlagen zum WM-Titel

Am 26. März 2023 schreibt das Team in Sandviken (Sd) zum wiederholten Mal Geschichte. Mit einem 6:3-Sieg gegen Norwegen krönt es sich zum vierten Mal in Serie zum Weltmeister. 36 WM-Partien in Serie hat es nun gewonnen – das hat weder bei den Frauen noch bei den Männern davor je ein Team geschafft.

Das Besondere: Um das Teamgefüge und die Harmonie nicht zu stören, verzichtet das Team auf eine Ersatzspielerin. Man will nicht jemand Neues dazu holen, den man erst kennenlernen muss. Bei einem Programm von elf Spielen in neun Tagen ein Risiko, das man bewusst eingeht. Denn davor hat man die Weltmeisterschaften immer mit einer Ersatzspielerin bestritten.

«Mir fehlen im Moment die Worte»
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Tirinzoni nach WM-Titel:«Mir fehlen im Moment die Worte»

Wie wichtig so eine im schlimmsten Fall sein kann, erlebt das Team bei Olympia 2022 in Peking (China). Beim vorletzten Gruppenspiel muss sich Tirinzoni behandeln lassen, die Wade zwickt. Wäre sie ausgefallen und kein Ersatz bereitgestanden, hätte das Team nicht weiterspielen können.

Abstecher zur Mixed-Double-WM

Der WM-Titel im Quartett ist für Schwaller-Hürlimann noch nicht genug. Mit ihrem Mann Yannick reist sie nach Gangneung (Skor) an die Mixed-Double-WM. Diese findet vom 22. bis 29. April statt. Das Curling-Ehepaar verpasst allerdings den Vorstoss in die Viertelfinals.

Der Eklat

Sechs Wochen nach dem WM-Titel kommts zum grossen Eklat. Das Team schmeisst Knall auf Fall Schwaller-Hürlimann raus. Von der Mixed-Double-WM in Südkorea reist sie ins kanadische Regina, wo das letzte Turnier der Saison auf dem Programm steht – und fällt dort aus allen Wolken.

In einer Teamsitzung wird ihr am 2. Mai mitgeteilt, dass sich Tirinzoni, Pätz und Howald von ihr trennen. «Das kam für mich extrem überraschend», sagt Schwaller-Hürlimann zu Blick. Was ist passiert? «Es hiess, es liege an der Teamharmonie. Wir hatten aber diesbezüglich nie Diskussionen», schildert die Zugerin auch drei Tage nach dem Rauswurf noch hörbar aufgewühlt.

Ihrer Ex-Teamkollegin diesen Entscheid mitzuteilen, bezeichnet Tirinzoni als «etwas vom Schwierigsten in meiner Karriere.» Gegenüber Blick begründet sie: «Wir haben festgestellt, dass sie in vielen Bereichen anders denkt als wir. Das hätte längerfristig mit unserem Ziel Olympia zu einem Problem werden können.»

Der Zeitpunkt des Knalls kommt überraschend. Vor allem, wenn man bedenkt, dass man vor wenigen Wochen noch von der herrschenden Harmonie geschwärmt hat und keine Ersatzspielerin zur WM mitgenommen hat, um das Gefüge nicht zu stören.

Des Weiteren widerspricht Tirinzoni der Aussage der Ex-Teamkollegin, es habe keine Vorzeichen gegeben, dass es trotz WM-Triumph irgendwo geharzt habe. «Unser Coach und eine Mitspielerin führten während der Saison längere Gespräche.»

Wer recht hat und was genau passiert ist, wissen vorderhand nur die Beteiligten. (bir)

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