Pleiten, Pech und Pannen ein Jahr vor dem Heim-Grossanlass
Schweizer Biathleten hadern nach «WM zum Vergessen»

Lange Gesichter statt erstmals Edelmetall. Das Schweizer Team muss nach einer verkorksten Biathlon-WM – und im Hinblick auf den Heim-Anlass 2025 – über die Bücher.
Publiziert: 19.02.2024 um 15:58 Uhr
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Aktualisiert: 19.02.2024 um 16:22 Uhr
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Niklas Hartweg will die ernüchternde WM so schnell wie möglich abhaken.
Foto: keystone-sda.ch
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Marco PescioReporter Sport

Niklas Hartweg hat es nach dem Massenstart-Rennen, das er zum Abschluss der Biathlon-Weltmeisterschaft in Nove Mesto als 22. beendete, auf den Punkt gebracht. Er sprach im TV-Interview mit SRF von einer WM, «die wir am besten gleich vergessen». Und von eineinhalb Wochen, in denen – mit wenig Ausnahmen – alles schief lief, was schief laufen konnte. Der Schwyzer meinte: «Zum Glück ist das heuer passiert und nicht bei der Heim-WM oder bei Olympia.» Auch er war sich bewusst, dass der Gesamtauftritt der Schweizer Exponenten nicht gerade beste Werbung für die Wettkämpfe im Februar 2025 in Lenzerheide waren.

Das Swiss-Ski-Team bot in Tschechien nur wenige Lichtblicke, wie der vierte Rang in der Mixed-Staffel ganz zu Beginn, ein respektabler elfter Rang von Hartweg im Einzel und der versöhnliche Abschluss mit Sebastian Stalders siebtem Rang im Massenstart.

Daneben verkam die WM aus helvetischer Sicht zum Fiasko, das unglücklicherweise schon seine Anfänge nahm, bevor die Athleten überhaupt auf die Loipe gingen. Die Serviceleute suchten vergebens nach einer Wachsmischung, die den Schweizern schnelle Ski bei den warmen Temperaturen und im nassen, dreckigen Schnee von Nove Mesto beschert hätten. Bis auf den Massenstart liefen die Eidgenossen ihrer Konkurrenz tagelang hinterher, was den Frustpegel im Team zusehends steigen liess. Auch andere Nationen wie etwa Deutschland,hatten ihre liebe Mühe, während die dominierenden und infrastrukturell besser ausgestatteten Franzosen und Norweger offensichtlich über ein Wundermittel verfügten.

Würde ein Einheitswachs Abhilfe schaffen?

Die Schweiz hat die grosse Materialschlacht verloren, die eine Folge des Fluor-Verbots ist. «Dass das Serviceteam es nicht fertiggebracht hat, eine Lösung zu finden, ist enorm bitter für alle. Zumal die Wachser in dieser Saison bislang einen sehr guten Job gemacht habenen – und sie auch an der WM viele Stunden arbeiteten und wirklich alles probierten», sagt SRF-Experte Matthias Simmen zu Blick. Der 52-Jährige stellt gleichzeitig die Frage in den Raum, ob die besagte, «manchmal ins Absurde mündende» Materialschlacht nicht umgangen werden sollte, indem die Internationale Biathlon Union (IBU) einen Einheitswachs stellen würde.

Lag in Nove Mesto also alles nur am schlechten Material? «Nein, das würde zu kurz greifen», so Simmen. «Und doch kommen letztlich viele Probleme wieder bei diesem Thema zusammen.» Was er meint: Ungenügendes Material kann einen Rattenschwanz nach sich ziehen, eine echte Negativspirale. «Den Schweizern wurde an dieser WM die Grenzen aufgezeigt. Wenn das Rennen für Rennen passiert, man selbst in der Loipe dermassen viel investiert und trotzdem von der Konkurrenz sprichwörtlich stehengelassen wird, ist das schwer zu verarbeiten», analysiert der Ex-Biathlet. Wie schwer, zeigt das Beispiel Stalder, der mitten in der WM sogar laut darüber nachdachte, die WM abzubrechen, weil er sich derart müde fühlte.

«Nicht mit Schuldzuweisungen beginnen»

Die Swiss-Ski-Equipe hat aufgezeigt bekommen, wie viel sich an einer WM im negativen Sinne kumulieren kann. Schlechte Resultate, ein Sturz im dümmsten Augenblick, wie er Teamleaderin Lena Häcki-Gross passierte, oder ein Material-Flop. Simmen dazu: «Was es jetzt braucht, ist eine gute, offene Kommunikation. Es ist wichtig, dass man nicht mit irgendwelchen Schuldzuweisungen beginnt. Es muss möglich sein, einen solchen Grossanlass in einer Fehlerkultur aufzuarbeiten – mit allen an Bord.»

Letztlich müssten sich auch die Athleten hinterfragen, so Simmen: «Man wächst an den Aufgaben. Das wird eine Herausforderung für die Zukunft. Schliesslich geht es auch darum, bei schwierigen Bedingungen Erfolg zu haben.»

Gleichzeitig warnt Simmen davor, im Hinblick auf die restliche Saison oder die Heim-WM schwarzzusehen. Er denkt zurück an die Top-Ergebnisse des Quartetts Hartweg, Stalder, Häcki-Gross und Baserga aus diesem und dem letzten Winter. Und vor allem an Häcki-Gross' ersten Weltcupsieg im Januar in Antholz.

Simmen sagt: «Die Wettkämpfe in Tschechien wären zwar eine ideale Gelegenheit gewesen, den Biathlonsport der Schweiz nach den jüngsten Erfolgen auf eine noch höhere Ebene zu hieven, schliesslich ging es um die erste WM-Medaille der Geschichte. Trotzdem würde es mich nicht überraschen, wenn es resultatmässig schon bald wieder in Richtung Podest ginge. Das Team ist jung und lernfähig.»

Viele Learnings aus Nove Mesto mitnehmen wird im Übrigen auch das OK-Team der Weltmeisterschaft in Lenzerheide GR. Es hat mit vier verschiedenen kleinen Delegationen hinter die Kulissen geschaut, damit 2025 aus Schweizer Sicht wenigstens schon mal die Rahmenbedingungen stimmen.

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