Der Mann gilt als der «Schiess-Professor». Sturla Holm Laegreid (26) ist Weltmeister und Olympiasieger sowie seit Jahren absolute Weltspitze im Umgang mit dem Biathlon-Gewehr. Und ausgerechnet ihm unterläuft im Rahmen der Weltcup-Rennen in Lenzerheide ein folgenschwerer Fehler. Im Trockentraining im Team-Hotel Don Bosco löst sich ein Schuss, Laegreid feuert versehentlich in einen Hocker an der Wand. Der Vorfall machte international Schlagzeilen, hatte ein Polizei-Verhör und eine Sperre für das Massenstartrennen als Konsequenz. Der Norweger muss nun mit einer Busse rechnen.
Laegreid entschuldigte sich öffentlich und unter Tränen. Er bezeichnete den Vorfall als «brutale Erinnerung» daran, wie wichtig die Sicherheitsrichtlinien seien. Auch Matthias Simmen, Ex-Biathlon-Profi und SRF-TV-Experte, sagt: «Ich kann seine Emotionen verstehen. Er ist sich der grossen Verantwortung bewusst, die er als Aushängeschild dieses Sports trägt.»
Doch wie gefährlich ist Biathlon wirklich? Simmens Antwort kommt prompt: «Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass wir hier von einer sehr sicheren Sportart reden. Ich war lange selbst aktiv und bin noch länger als Beobachter engagiert – und ich kann mich kaum an Vorfälle erinnern, bei denen die Sicherheitsstandards verletzt wurden.»
Ähnliche Zwischenfälle kamen in der Tat selten vor. 2009 schoss die Deutsche Andrea Henkel (46) bei der WM in Südkorea – ebenfalls im Trockentraining – in eine Holzwand. Und in der vergangenen Saison löste der Belgier Thierry Langer (32) schockierte Reaktionen aus, als er trotz Verbots in den Lauf seiner Waffe schaute. Allerdings, nachdem er zuvor das Magazin herausgenommen hatte.
Schuss könnte tödlich sein
Simmen sagt: «Dass so wenig passiert, liegt einerseits an den scharfen Reglementen und andererseits daran, dass der Nachwuchs schon früh sensibilisiert wird.» Die im Weltcup eingesetzte Waffe ist ein Kleinkalibergewehr, das mindestens 3,5 Kilogramm schwer sein muss. Das Gesamtgewicht ist ebenso geregelt wie das spezifische Abzugsgewicht von 500 Gramm und das Gewicht der Blei-Munition, das sich zwischen 2,55 und 2,75 Gramm bewegen muss. Die Maximalgeschwindigkeit der Patrone beträgt 360 Meter pro Sekunde.
Diese Zahlen zeigen: Die Projektile könnten für einen Menschen theoretisch tödliche Folgen haben. «Das kann man nicht beschönigen», sagt Simmen. Er fügt aber an: «Mit den Reglementen wird alles versucht, die Gefahren auf ein absolutes Minimum zu reduzieren.» Das zeigen auch die üblichen Wettkampf-Abläufe: Die Athleten durchlaufen vor und nach dem Rennen eine ganze Reihe von Kontrollen. Das Abschultern des Gewehres ist erst auf der entsprechenden Matte beim Schiessplatz erlaubt. Und der Lauf der Waffe darf nur in die Luft oder auf die Zielscheiben zeigen. Sonst droht die Disqualifikation.
Simmen: «Diese Sicherheitsgrundsätze werden andauernd repetiert, damit eben genau solche Schrecksekunden wie bei Laegreid möglichst selten vorkommen.»