Das war die grosse Karriere von Giulia Steingruber
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Turn-Star macht Schluss!Das war die grosse Karriere von Giulia Steingruber

Das sagt Ex-Coach Zoltan Jordanov zum Steingruber-Rücktritt
«Giulias Karriere hätte noch länger dauern können»

Der Ungar Zoltan Jordanov (69) hat Giulia Steingrubers Karriere massgeblich geprägt. Für ihn hätte sie durchaus länger turnen können. Aber er versteht den Entscheid – und sieht ihre Motive auch in der momentanen Verbandssituation.
Publiziert: 03.10.2021 um 11:45 Uhr
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Aktualisiert: 03.10.2021 um 11:49 Uhr
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Am 1. Oktober gab Giulia Steingruber (27) ihren Rücktritt bekannt.
Foto: keystone-sda.ch
Cécile Klotzbach

Blick: Zoltan Jordanov, wussten Sie vom Rücktritt Ihrer Musterschülerin?
Zoltan Jordanov: Erst seitdem ich es heute las. Ich stehe nicht mehr regelmässig in Kontakt mit dem Schweizerischen Turnverband, aber jemand schickte mir die Berichte zu Giulia. Ich sprach zuletzt vor den Olympischen Spielen mit ihr. Wir schreiben uns immer noch ab und zu – besonders vor oder nach grossen Wettkämpfen wünsche ich ihr Glück oder gratuliere zum Erfolg. Auch jetzt habe ich ihr eine Message mit meinen besten Wünschen geschrieben.

Sie verfolgten also ihre Karriere weiter?
Natürlich, ich weiss immer noch alles über Giulia, bin stets auf dem Laufenden.

Hatten Sie vorher oder nachher jemals eine so gute Schülerin wie sie?
Ich muss sagen, in meiner langen, 40-jährigen Karriere war sie letztlich meine absolute Top-Athletin. Sie hat höllisch viel erreicht, einen grossartigen Leistungsausweis, und sie hat für die Schweiz definitiv Geschichte geschrieben.

Was hat Steingruber so stark gemacht?
Wir arbeiteten 8 Jahre lang zusammen. Als sie mit 14, 15 Jahren in mein Training kam, war sie eine talentierte Juniorin, aber nicht mehr als das. Es gab andere Mädchen, die besser als sie waren. Aber Giulia steigerte sich kontinuierlich und wurde allmählich zu etwas Besonderem. Ihr Timing stimmte immer besser, ihre Explosivität war toll, sie konnte so gut beschleunigen und hatte grosse Sprungkraft. Plötzlich befand sie sich auf dem top internationalen Level, das es brauchte. Aber im Wettkampf gabs dann wieder andere Probleme.

Welche?
Anfangs war sie keine gute Wettkämpferin. Sie erreichte sehr wohl oft den Final, aber dort machte sie dann Fehler. Aber auch diesbezüglich lernte sie kontinuierlich dazu. Und auf einmal war er da, dieser Wettkampf-Instinkt. Dann wusste sie, wie man kämpft. Es war fantastisch, sie wurde eine sehr verlässliche Kunstturnerin, die den Erwartungen entsprechend lieferte.

Sie beide hatten in dieser Zeit nicht immer die einfachste Beziehung, heisst es ...
Nein, das würde ich nicht sagen. Wir hatten keine ernsthaften Streite. Giulia war ein richtig nettes Mädchen, hatte einen sehr guten Charakter. Vielleicht war sie mal stur, wollte nicht immer, wie ich wollte. Aber dem habe ich nicht zu viel Bedeutung geschenkt. Sie war ein Teenager – wir wissen alle, wie die sein können. Ich habe jedenfalls einen guten Weg gefunden, mit ihr zu arbeiten. Und sie wurde so eine super Turnerin.

Ist ihre mentale Stärke besonders hervorzuheben?
Ja, später schon, anfangs war sie noch nicht so weit. Die echte Fighterin war damals Ariella Kaeslin. Die war mental äusserst stark, Giulia zu dem Zeitpunkt noch nicht. Aber sie lernte eben fleissig dazu.

In ihren letzten fünf Jahren zeigte Giulia mit Verletzungen, Comebacks und Schicksalsschlägen eine ausgeprägte Kämpfernatur.
Das ist wahr, in meiner Zeit aber noch nicht. Jahr für Jahr lieferte sie damals Wettkämpfe ab, reihte Erfolg an Erfolg und hatte dabei nie körperliche Probleme. Diese begannen erst nach den Olympischen Spielen in Rio. Seit dann hatte sie sicher schwierige Zeiten und musste sich des Öfteren durchbeissen.

Sie verglichen Steingruber zuvor mit Kaeslin. Beim Rücktritt scheint sie mehr im Reinen mit sich zu sein als Ariella, die wegen Erschöpfungsdepression nicht mehr konnte.
Ariella war ausgebrannt, das ist bei Giulia offensichtlich nicht der Fall. Aber ich verstehe ihre Motive, aufzuhören. Es gibt keine Stabilität mehr in ihrem Nationalteam. Im Moment sind alle ihre Coaches weg, sie hat keine Ahnung, was die Zukunft ihr als Kunstturnerin noch bringt, kann sich auf nichts mehr verlassen. Fabien Martin, der ja damals mein Assistenztrainer war, wurde gefeuert, der Nachfolger ist noch unbekannt – das sind sehr unsichere Zeiten, deshalb verstehe ich sie.

Giulia sagt, ihre Entscheidung habe nichts mit der Situation im Verband zu tun ...
Sie ist halt auch 27 Jahre alt und muss nicht mehr unbedingt weitermachen. Aber ich denke, sie hätte noch eine längere Karriere haben können, wenn sie ihre Verletzungen in den Griff bekommen hätte.

Ist es nicht auch gut, dass sie den Stecker zieht, bevor auch sie ausgebrannt ist?
Absolut! Am Ende des Tages hat sie so derart viel, eigentlich alles, erreicht – sie hat wirklich eine erfüllende Karriere gehabt. Deshalb darf sie sehr, sehr zufrieden mit sich sein.

Ist 27 nicht auch bereits ein stattliches Alter für eine Kunstturnerin?
Es gibt immer mehr und mehr längere Karrieren auf diesem Level. Ich kenne einige, Giulia wäre keine Ausnahme gewesen. Aber das ist ihre Entscheidung und die gilt es zu akzeptieren. Meine Frau und ich sind sehr stolz auf sie, wir haben ihr immer die Daumen gedrückt, wenn sie turnte, und sind auch fünf Jahre, nachdem wir die Schweiz verlassen haben, noch immer ganz grosse Fans von ihr.

Welcher war Ihr schönster Moment mit Giulia?
Sicher die EM 2015 in Montpellier, wo sie drei Medaillen, darunter Gold im Mehrkampf, holte. Aber ehrlich gesagt gab es für mich als Coach nichts Grösseres als die Europameisterschaft 2016 in Bern. Dort herrschte wegen Giulia eine so tolle Stimmung! Sie war ja mit zweimal Gold auch so unglaublich erfolgreich – das alles war schlicht überwältigend für mich. Ich vermisse die Schweiz.

Kommen Sie noch ab und zu hierhin zurück?
Ich würde gerne, vermisse auch die Berge, das Skifahren. Wir haben damals hart gearbeitet, hatten aber auch immer viel Spass. Wenn diese Pandemie-Zeiten vorüber sind und wir wieder frei reisen können, kommen wir sicher bald wieder. Und dann melde ich mich selbstverständlich auch bei Giulia.

Möchten Sie ihr noch etwas mit auf den Weg geben?
Ich wünsche ihr einfach nur das Beste auf ihrem kommenden Weg. Ich bin überzeugt, dass sie in ihrer nächsten Karriere und im Privatleben genauso erfolgreich sein wird wie als Kunstturnerin!

Das ist Giulias Ex-Coach Jordanov

Bevor er 2007 in die Schweiz kam, trainierte Zoltan Jordanov die Nationalteams von Ungarn, dann zehn Jahre von Grossbritannien und schliesslich zehn Jahre in der Schweiz. Beim Schweizerischen Turnverband begleitete er zusammen mit seiner Frau und Assistentin Sznezsana in Magglingen zunächst Ariella Kaeslin, dann Giulia Steingruber durch ihre glänzenden Karrieren. Die Gossauerin formte er vom jungen Talent bis zu ihrem Karriere-Höhepunkt bei Olympia 2016 in Rio de Janeiro, wo Giulia die Bronzemedaille in der Disziplin Sprung holte. Danach kehrte das ungarische Ehepaar Jordanov in die Heimat zurück. Dort ist Jordanov heute als beratender technischer Leiter für den Nachwuchs tätig.

Bevor er 2007 in die Schweiz kam, trainierte Zoltan Jordanov die Nationalteams von Ungarn, dann zehn Jahre von Grossbritannien und schliesslich zehn Jahre in der Schweiz. Beim Schweizerischen Turnverband begleitete er zusammen mit seiner Frau und Assistentin Sznezsana in Magglingen zunächst Ariella Kaeslin, dann Giulia Steingruber durch ihre glänzenden Karrieren. Die Gossauerin formte er vom jungen Talent bis zu ihrem Karriere-Höhepunkt bei Olympia 2016 in Rio de Janeiro, wo Giulia die Bronzemedaille in der Disziplin Sprung holte. Danach kehrte das ungarische Ehepaar Jordanov in die Heimat zurück. Dort ist Jordanov heute als beratender technischer Leiter für den Nachwuchs tätig.

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