Sie hat die Grenzen verschoben
Ironman-Königin Ryf verwandelte Schmerz in Energie

Daniela Ryf mag noch, kann aber nicht mehr. Mit 37 Jahren tritt sie nicht wie erhofft Ende Jahr, sondern jetzt zurück. Auf drei Dinge freut sie sich künftig besonders.
Publiziert: 19.08.2024 um 17:51 Uhr
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Aktualisiert: 19.08.2024 um 20:20 Uhr
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Die Power-Frau sagt Tschüss: Daniela Ryf beendet mit 37 Jahren ihre Triathlon-Karriere.
Foto: BENJAMIN SOLAND

Angry Bird zwitschert nicht mehr. Mit 37 Jahren beendet Triathletin Daniela Ryf, deren Spitzname von dem kleinen wütenden Videospiel-Vögelchen stammt, ihre grossartige Karriere. «Ich habe wirklich alles versucht, um gesund zu werden. Aber die Behandlung hat nicht funktioniert. Und dreimal pro Woche ein wenig Joggen zu gehen, ist einfach zu wenig», sagt sie.

Die Solothurnerin plagt eine Entzündung am Ende des Rückenmarks. Sie kann zwar wieder trainieren und fühlt sich auch fit – aber um Ende September beim Ironman in Nizza (Fr) mitzukämpfen, reicht es bei weitem nicht. «Es ist hart, loszulassen. Aber ich muss auf meinen Körper hören.»

«Nun komme ich halt als Zuschauerin»

Ryfs Rücktritt kommt nicht überraschend. Sie hatte ihn längst auf Ende Saison angekündigt. Aber so? Nein, so wollte die zweifache Schweizer Sportlerin des Jahres (2015 und 2018) nicht Schluss machen.

Bei ihrer Abschieds-Medienkonferenz in Zürich sagt sie: «Ich wäre in Nizza sehr gerne als Athletin dabei gewesen, denn es ist eine spektakuläre Strecke. Nun komme ich halt als Zuschauerin. Das wird schwierig werden, aber ich werde diesen Sport nach 25 Jahren nicht einfach so verlassen.»

Sie hat die Grenzen verschoben

Im Alter von 12 Jahren begann Ryf mit Triathlon-Training. Ihr Talent war erkennbar. Dennoch konnte keiner ahnen, dass aus ihr eines Tages eine zehnfache Weltmeisterin und eine fünfmalige Ironman-Siegerin (2015-2018, 2022), werden würde. Wie hat sie das geschafft? Einfach: Ryf ging immer an die Grenzen und verschob diese so weit, dass sie 2023 bei der Challenge Roth gar den Ironman-Weltrekord auf 8:08:21 Stunden verbesserte.

«Ich will in jedem Training alles geben», sagte Ryf einmal. Sehr zum Ärger ihres langjährigen Coaches Brett Sutton. Der zuweilen kauzige Australier meinte: «Ich will, dass Daniela nur im Rennen alles gibt.» Sie müsse lernen, ihre Kräfte zu bündeln, sagte er 2015, «dann wird sie über Jahre unschlagbar bleiben.» Sutton sollte sich irren. Denn: Ryf war auch so bei Ironmans über Jahre unschlagbar.

Spitzname? Angry Bird!

Der Spitzname Angry Bird, den Sutton seinem Schützling verpasst hatte, war dennoch berechtigt. «Er nannte mich während eines Schwimmtrainings auf einmal so, weil ich ein grimmiges Gesicht mache, wenn ich konzentriert bin.»

Sie habe gar nicht gewusst, worum es sich dabei handelte. Ein Blick ins Internet brachte Licht ins Dunkel. Stella hiess damals das einzige, weibliche Vögelchen. Es brachte im Videospiel wie alle anderen Bösewichte Gebäude zu Fall, war aber dennoch anders. «Dort stand, sie sei ehrgeizig und würde sich schnell langweilen, wenn nichts laufe. Das war ziemlich genau so, wie ich mich beschreiben würde», sagte Ryf.

Quallenstich, Schmerzen – und der Sieg

Ryf konnte wie kaum eine Zweite, Ärger, Wut, Verzweiflung und Schmerzen in Energie verwandeln. 3,862 km Schwimmen, 180,246 km Velofahren und 42,195 km Rennen – wenn Ryf zu einem Ironman startete, war sie im Tunnel. Aufhalten konnte sie in diesen Momenten kaum noch etwas.

Das beste Beispiel dafür: Wir schreiben den 13. Oktober 2018. An diesem Tag in Hawaii ist Ryf unschlagbar – denken viele. Doch dann, wenige Minuten vor dem Wettkampf, wird sie an beiden Oberarmen von einer Qualle gestochen. Sie startet dennoch. «Ich habe beim Schwimmen meine Arme praktisch nicht mehr gespürt und war mir gar nicht sicher, ob ich es noch aus dem Wasser schaffe. Die Schmerzen waren unglaublich.»

Ryf denkt ans Aufgeben, tut es aber nicht – Angry Bird halt. «Ich sagte mir, ich bin der Champion. Ich darf nicht aufgeben, Kinder schauen mir zu.» Die Folge? Ryf überholt eine Gegnerin nach der anderen, fährt auf dem Velo gar Streckenrekord. «Ich stellte mir vor, wie mit dem Schmerz eine Extraportion Wut und zusätzliche Energie in meinen Körper gelangt ist.» Am Ende gewinnt Ryf überlegen.

«Mir wird nicht langweilig»

Von Wut ist bei Ryf an diesem Montagnachmittag nichts zu spüren. Sie will dem Sport erhalten bleiben, zuerst aber längere Ferien einlegen. «Nach 25 Jahren habe ich mir diese wohl verdient», sagt sie schmunzelnd. Und ergänzt: «Ich freue mich, nicht mehr dreimal am Tag trainieren zu müssen, auf mehr Sozialleben und Wakeboarden.»

Und beruflich? Ryf ist offen für alles. «Mir wird nicht langweilig werden», sagt sie. Man glaubt ihr aufs Wort.

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