Sie boxt in die Luft. An der Hand von Daniela Ryf (37) funkeln die fünf Siegesringe für jeden ihrer Weltmeistertitel über die Ironman-Distanz. Vier davon stammen vom mystischen Triathlon-Mekka Hawaii, einer von St. George in Utah, aus dem Jahr 2022, als die WM ausnahmsweise dort stattfand. Diese Box-Pose habe sie so noch nie gemacht, sagt Ryf, als sie diesen Frühling für Blick vor der Kamera steht. Umso mehr passt sie wie die Faust aufs Auge für die Situation, in der sie sich gerade befindet.
Ryf, Ironman-Superstar, zehnfache Weltmeisterin, zweifache Schweizer Sportlerin des Jahres, ist geschmückt mit vielen grossen Titeln und Erfolgen, die ihr niemand mehr nehmen kann. Gleichzeitig steckt sie in einer sportlich schwierigen Situation, aus der sie sich herausboxen will. Ein letzter Befreiungsschlag, bevor ihre lange und erfolgreiche Karriere Ende Jahr einen schönen Ausklang finden soll.
So sieht Ryfs Abschiedsplan aus
Die Solothurnerin hat körperlich eine schwierige Zeit hinter sich. «Als Athletin geht es mir im Moment wirklich nicht so gut», sagte sie vor ein paar Wochen zu Blick. Praktisch von null auf hundert will sie kommen, um im September in Nizza bei ihrer letzten WM noch einmal weit vorne mitmischen zu können. Noch einmal.
Den Rücktritt hat Ryf im März angekündigt, ein schöner Abschied ist ihr wichtig. «Das High-Five-Szenario ist nicht mein Wunschszenario», sagt sie. «Das wäre die Notlösung.» Sie will also mehr als eine gemütliche Abschiedstour. Nach Nizza sollen dann bis zum endgültigen Ende im November – Stand jetzt – noch ein paar Rennen dazukommen.
Monate nach dem Weltrekord ging nichts mehr
Letzten Sommer hat Ryf noch die Langstrecken-Weltbestmarke in Roth (De) über die rund 3,8 km Schwimmen, 180 km Radfahren und 42 km Laufen nach unten geschraubt, auf 8:08:21 Stunden. Monate später, anfangs Jahr, machte der Körper nicht mehr mit.
Knackpunkt war das Südafrika-Rennen im April. «Meine schlechteste Ironman-Leistung bei harten Bedingungen», schrieb Ryf. Die Oberschenkel- und Gesässmuskeln machten schon davor Probleme. Während des Rennens kam eine Steissbein-Verletzung auf, die sie noch lange beschäftigt hat. «So ein Rennen würde ich wohl nicht mehr finishen. Im Nachhinein ist es gut für die WM-Quali, aber hat mich schon sehr zurückgeworfen.»
«Das zeigt mir, dass es der richtige Zeitpunkt für den Abschied ist»
Ryf fällt so sehr zurück, dass sie eine Zeit lang gar nichts mehr tun kann, weder Schwimmen noch Radfahren noch Laufen. Seit Wochen tastet sie sich nun Schritt für Schritt zurück. In einem 13-minütigen Update berichtet sie aus dem Höhentraining in St. Moritz, wie es ihr geht. Sie hat einen «Marathon von Therapien hinter sich», Probleme mit den Oberschenkelmuskeln (Hamstrings) beschäftigen sie noch immer, sogar Aquajogging wird zum Thema. Topfit im September an der WM in Nizza antreten zu können, werde eng, erklärt sie. «Aber ich gebe alles.» Das Rennen von London Ende Juli musste sie absagen, Hoffnung geben ihr aber die letzten zwei sehr positiven Wochen.
Bereits im Frühling, als sie erst wieder die ersten Gehversuche nach der Verletzungspause macht, strahlt Ryf viel Positivität aus. «Persönlich bin ich sehr happy, obwohl ich als Athletin aktuell nicht viel auf die Reihe gebracht habe.» Sie hat Zeit, viele Geburtstage zu besuchen, lernt das Pokern kennen. Zeit zu haben ist ein Vorgeschmack für den nächsten Frühling nach dem Abschied. «Früher hat mich eine Verletzung persönlich immer sehr mitgenommen, jetzt kann ich es recht gut differenzieren. Ich glaube, das zeigt, dass es der richtige Zeitpunkt ist, den Rennanzug bald an den Nagel zu hängen.»
Bald, aber noch nicht jetzt. Für einen schönen Abschied mit Ambitionen macht Ryf weiterhin alles. Dafür ist sie immer noch zu fest die ehrgeizige Spitzensportlerin.