Die Sonne scheint, das Wasser glitzert, der Herbst liegt in der Luft. Wir treffen Jan van Berkel (36), den besten Triathleten der Schweiz, kurz vor seiner Abreise zum Ironman Hawaii, am Ufer des Klingnauer Stausees. «Ganz da hinten wohnen wir, vielleicht erkennt ihr das Holzhaus gleich unter dem Wald», sagt er. Mit «wir» meint van Berkel sich, seine Frau Sarah und ihre Söhne Tim (2½) und Noè (2 Monate). «Es ist schwierig, mich von ihnen zu verabschieden. Ich werde drei Wochen auf Hawaii sein, eine lange Zeit», sagt er und blickt auf Tim – dieser hält Ballone in der Hand und dreht auf dem Laufrad seine Runden.
Der dreifache Sieger des Ironman Schweiz (2018, 2019, 2021) ist sich bewusst, dass er seinen Beruf ohne die familiäre Unterstützung nicht ausüben könnte. «Ich will ihnen etwas in Form von Resultaten zurückgeben», so van Berkel. Auf der Vulkaninsel im Pazifik visiert er die Top 10 an. «Dann gehört man zur Weltklasse. Und ich bin noch nicht der beste Triathlet, der ich sein kann. Ich habe noch Potenzial», so der Zürcher. Bei der letzten Ausgabe 2019 wurde er elfter, danach sorgte Corona für mehrere Ironman-Absagen. Er ist der einzige Schweizer in Hawaii.
Jan van Berkel, warum schinden Sie sich nach so vielen Jahren immer noch?
Ich mache es einfach gerne (schmunzelt). Im Ernst: Die Faszination, das Beste aus seinem Körper herauszuholen, ist immer noch da.
Was werden Sie vor dem Ironman essen?
Am Morgen zwei gekochte Eier. Dazu trinke ich einen starken Kaffee und ein Getränk mit Kohlenhydraten.
Was kostet Sie der Ironman?
16 Tage Hawaii kosten mich in diesem Jahr 10’000 Franken. Die Flüge sind etwa gleich teuer wie früher, die Hotelpreise haben sich aber etwa vervierfacht. Und das Mietauto ist doppelt so teuer.
Wie viele Kalorien nehmen Sie in den mehr als acht Stunden, die der Wettkampf dauert, zu sich?
Pro Stunde nehme ich 80 Gramm Kohlenhydrate. Umgerechnet auf den ganzen Ironman entspricht dies den Kalorien von acht Tellern Pasta.
Wie viel Sonnencreme brauchen Sie in einem Sommer?
Etwa drei Flaschen mit Faktor 50.
Was machen Sie auf Hawaii, wenn Sie während des Ironmans aufs WC müssen?
In der freien Natur ist dies verboten, denn es würde die Inselgötter erzürnen. Und auch die Schiedsrichter – man würde sofort disqualifiziert werden. Es gibt entlang der Strecke viele mobile WC-Häuschen.
Welches war Ihr schönstes Hawaii-Erlebnis?
Als ich das erste Mal gestartet bin, schaute ich in den Himmel. Da sah ich den Helikopter, der Aufnahmen von uns machte. In diesem Moment habe ich realisiert, dass ich 15 Jahre lang auf diese Sekunde hingearbeitet hatte.
Der schlimmste Moment?
Bei meinem zweiten Mal in Hawaii stürzte ich im Training. Beim Marathon gab ich auf, ich war komplett dehydriert und neun Kilo leichter als am Start.
Wie behält man im Wasser den Überblick?
Das ist viel schwieriger als in einem See oder einem Schwimmbad. Ich versuche, im Rhythmus der Wellen zu bleiben und suche mir weit hinten eine Orientierung – zum Beispiel ein grosses Schiff oder eine Palme am Ufer.
Wie brutal ist der Start?
Der Start im Wasser ist ein Chaos, ein Gemetzel. Man bekommt Fersen ins Gesicht, eine Faust ins Auge, wird unter Wasser gedrückt und nach hinten gezogen. Klar, da muss man dagegenhalten.
Warum benutzen Sie beim Radfahren keine Socken?
Meine Füsse sind nach dem Schwimmen nass. Würde ich dann Socken anziehen, würde dies extrem reiben. Später, beim Rennen, entwickeln sich sowieso schon Blasen – früher brauche ich sie nicht (schmunzelt).
Was passiert unmittelbar nach der Ziellinie?
Es gibt pro Athlet zwei Greeters – sie holen dich ab und fragen, wie es dir geht. Lustigerweise sind es häufig Landsleute, in meinem Fall also Schweizer.
Was gönnen Sie sich nach dem Ironman?
Man würde meinen, ich würde mir Pizza, Donuts und Cola reinhauen. Aber das geht nicht, weil der Mund von dem vielen Zucker extrem angegriffen ist. Das Schönste ist, mal nicht mehr denken oder den Körper unter Kontrolle halten zu müssen. Ich kann endlich etwas tun, was mir nicht mehr Schmerzen bereitet.