Vor vier Jahren hat Alexander Zverev (27) seine bislang empfindlichste Niederlage einstecken müssen. Im US-Open-Final verpasste der Deutsche trotz 2:0-Satzführung seinen ersten Grand-Slam-Titel und unterlag dem Österreicher Dominic Thiem (30) in fünf Sätzen. Ebenfalls 2020 soll der angebliche körperliche Angriff von Zverev auf seine Ex-Freundin Brenda Patea erfolgt sein, die ihn daraufhin im Folgejahr anzeigte. Die Vorwürfe häuslicher Gewalt prägten die Schlagzeilen um seine Person, während er sportlich seinem grössten Ziel weiterhin hinterherrannte. 2021 errang Zverev mit dem Olympiasieg in Tokio seinen bis dato wertvollsten Erfolg – doch das Prestige, das im Tennis mit einer Grand-Slam-Trophäe einhergeht und mit nichts zu vergleichen ist, blieb ihm weiterhin verwehrt.
Nun, vier Jahre nach besagtem Jahr 2020 sieht die Welt von «Sascha» Zverev wieder anders aus. Am Freitag stellte das Amtsgericht Tiergarten in Berlin den Prozess gegen den Hamburger ein. Die beiden Seiten haben sich nach drei Verhandlungstagen auf eine aussergerichtliche Beilegung des Konflikts geeinigt. Und wie es der Zufall wollte, zog Zverev am gleichen Tag in den French-Open-Final ein – um so die Möglichkeit zu erhalten, seine schmerzliche Pleite von 2020 vergessen zu machen. Am Sonntagnachmittag (nicht vor 14.30 Uhr) trifft er auf dem Court Philippe-Chatrier auf den Spanier Carlos Alcaraz (21).
Für Zverev war es so ein doppelter Befreiungsschlag. An der Pressekonferenz nach dem Halbfinalsieg gegen Casper Ruud (25) meinte er zur Einstellung des Verfahrens: «Ich habe es euch von Anfang an gesagt. Ich bin froh, ist es nun vorüber.»
«Das geht raus an alle»
Schon vor Turnierbeginn hatte Zverev erklärt, es gebe aus seiner Sicht «keine Chance», dass er den Prozess verliere. Er hatte die Tatvorwürfe schon früher immer vehement bestritten. Auf eine Nachfrage eines Journalisten meinte er weiter: «Sie hätten das Verfahren nicht fallengelassen, wenn eine Schuld vorgelegen hätte. Fertig. Wir machen jetzt weiter. Ich will nie wieder eine Frage dazu hören! Das geht raus an alle.»
Ob Zverev die dunklen Wolken, die ihn zuletzt bei seinen Turnierauftritten begleiteten, so einfach loswerden kann, wird sich zeigen. Gut möglich aber, dass sich das mediale Narrativ um seine Person ändert, sollte Zverev auf dem Tennisplatz weiterhin so stark auftreten wie bis anhin in diesem Jahr. Nicht wenige Experten sahen Zverev schon vor Beginn der French Open als heissen, wenn nicht den heissesten, Titelanwärter. Und auch in Wimbledon und an den US Open wird die aktuelle Weltnummer vier zu den Mitfavoriten zählen.
Zverev selbst hofft, am Sonntag mit dem «Coupe des Mousquetaires» gänzlich erlöst zu werden: «Wenn nicht jetzt, wann dann?» Vor vier Jahren sei er noch zu unreif gewesen. Nun fühle er sich bereit: «Es würde mir die Welt bedeuten.»