Es sind, gelinde gesagt, ungemütliche Tage für Thomas Bach (69). Weil der Chef des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) in der Debatte um die Rückkehr russischer und belarussischer Athleten seinen Kurs weiterhin verteidigt, erlebt er grossen Widerstand. Die Kadenz kritischer Voten nimmt laufend zu. Im vergangenen Monat hatten Sportpolitiker aus 35 Nationen den Druck erhöht, indem sie den Ausschluss der beiden Länder von Olympia 2024 forderten.
Nun wurde ihm auch bei einer Diskussion in Essen ein unfreundlicher Empfang bereitet: Erst von Demonstrierenden, dann von spitzen Fragen seiner Gegner, die ihn letztlich in Erklärungsnot brachten. «Wie können Sie damit schlafen?», fragte der polnische Generalkonsul Jakub Wawrzyniak (43).
Bach kündigte eine Entscheidung in der kommenden IOC-Exekutivsitzung nächste Woche an. Er spricht von «unfassbarem Leid» und «menschenverachtenden Verbrechen» in der Ukraine. Aber er rückt in dieser Thematik eben auch nicht von seiner Linie ab: Die UN- und die Olympische Charta würden Diskriminierung von Sportlern aufgrund ihrer Herkunft nicht zulassen. Laut ihm droht der «Zerfall des internationalen Sportsystems».
Russen und Belarussen sollen wieder unter neutraler Flagge antreten können, sofern sie den Krieg in der Ukraine nicht aktiv unterstützen und die Anti-Doping-Codes eingehalten werden. «Unsere Rolle ist, die Menschen zusammenzubringen», sagte Bach. Es sei nicht Sache von Regierungen, über die Teilnehmer an sportlichen Wettbewerben zu entscheiden. «Es wäre das Ende von internationalen Wettkämpfen wie Olympischen Spielen und anderen Titelkämpfen.» Eine Sackgasse: Denn Länder wie Ukraine, Polen, Lettland drohen mit Olympia-Boykott, falls die Russen wieder zugelassen werden.
Bach tritt aus FDP aus
In Essen verweist Bach auch auf ein funktionierendes Zusammenleben der involvierten Nationen im Tennis-Zirkus, womit er seine Kritiker allerdings noch mehr irritiert. Zumal zuletzt von Tränen und einem verweigerten Handschlag der Ukrainerin Marta Kostyuk (20) sowie einer Panikattacke von Lesia Tsurenko (33) zu hören war. Während die Belarussin Arena Sabalenka (24) wiederum davon sprach, «noch nie so viel Hass» erlebt zu haben.
Auch an anderen Fronten steht Bach unter Beschuss. FDP-Politikerinnen erklärten, der IOC-Boss verkenne, dass Sportler in Russland ein zentrales Instrument der Propaganda darstellen würden. Nun macht die Meldung die Runde, Bach sei aus der FDP ausgetreten. Mit dem Streit um die Russen-Rückkehr in den Sport habe dies aber nichts zu tun, sagt sein Sprecher. (mpe)