Bis zum dramatischen Schluss um 03.11 Uhr wanderten auch die beiden guten Eurosport-Reporter durch ein Tal der Emotionen, der Fehlprognosen und des Mitleides. Klar, man konnte sich da zwei Stunden lang einfach nur irren. Kurz: Der Wahnsinn im leeren Stadion.
5:0 nach 15 Minuten!
«Barty präsentiert sich gut, spielt präzise. Muchova weiss noch gar nicht, was sie machen soll!» Wie auch: Nach 15 Minuten stand es 5:0 für die Australierin, die bereits 63 Wochen auf dem WTA-Thron sitzt.
«Barty muss ja gar nichts machen. Sie spielt das völlig emotionslos runter. Barty ärmellos, Muchova chancenlos», hörten wir auf Eurosport. Oder beim 6:1 nach 23 Minuten.
Australien verehrt Roger Federer
Da ahnte noch niemand, dass dieser Match völlig auf den Kopf gestellt wird. Auf Eurosport: «Studien haben ergeben, dass Barty in Australien die beliebteste und bekannteste Sportlerin ist. Da kann nur noch einer auf dem fünften Kontinent mithalten – der Schweizer Roger Federer!»
Die beiden gestressten Reporter hatten es tatsächlich nicht leicht, uns Nacht-Freaks zu begleiten. Sie sprachen von einer Blockade von Muchova «So schlecht kann man eigentlich gar nicht spielen!». Und schon stand es im zweiten Satz 2:0 für Barty, die bisher erst ein Grand Slam Turnier gewonnen hat – 2019 in Paris.
Medical Timeout um 01.51 Uhr
«Da kann mit Muchova etwas nicht stimmen. Sie leidet, greift sich oft an den Nacken.» Und dann ab 01.51 Uhr die Wende: Muchova («es war mir schwindlig!») nahm ein Medical Timeout…
Der Physio kam und begleitete die Spielerin in die Kabine. Barty nahm es noch locker – und nach sieben Minuten kam die Tschechin zurück. Mit mehr Farbe im Gesicht und neuer Kampfmoral. Sie brauchte keine zehn Minuten, da hatte sie den Satz gedreht und führte mit 3:2. Was hatte der «Wunderheiler» mit Karolina gemacht?
Zum Glück leeres Stadion…
«Jetzt wirkt Barty völlig unkonzentriert, lässt sich aus der Fassung bringen, macht die Fehler, die vorher nur Muchova gemacht hat. «Ein harmloses Viertelfinale, eine zerfahrene Partie.» Zum Glück für die als Nationalheldin verehrte Barty in einem leeren Stadion…
Plötzlich ist der Schmerz weg
Aber jetzt war Muchova plötzlich voll da, begann an der Sensation zu schnuppern und gewann den Satz mit 6:3. Auch wenn es die Reporter auf Eurosport weiter nicht glauben konnten: «Muchova spielt nicht nur gegen Barty sondern auch gegen ihren körperlichen Schmerz!»
Doch dieser hatte sich auf wundersame Weise in der Rod Laver Arena verzogen. Jetzt war es Barty, die vorher mit ihrer Gegnerin lange Mitleid zeigte, die mit Problemen kämpfte. Seit Wochen ist ihr linker Oberschenkel bandagiert. «Aber sie sagt nicht warum!»
Keine Schreie, kein Jubel
Die Aussenseiterin führte im dritten Satz 2:0 und 3:1 – und liess sich die Viertelfinal-Sensation nicht mehr nehmen. «Bei Barty erkennen wir noch eine Hilflosigkeit, eine Ratlosigkeit und Selbstzweifel. Keiner kann glauben, was wir hier gerade erleben. Aber von einer Nummer 1 erwarten wir mehr und nicht dieses oft fürchterliche Spiel. Keine schreit, keine jubelt – was für eine seltsame Stimmung!»
Wieder kein Heimsieg
Um 03.11 Uhr war der Spuk endlich zu Ende. «Nicht einmal jetzt kann Muchova jubeln. Und Australien hält geschockt den Atem an.» Und die als Nummer 25 gesetzte Tschechin bekommt einen Check von rund 550'000 Euro. «Und Barty wird an dieser fast mysteriösen Niederlange lange zu kauen haben. Wieder ist der Traum vom Heimsieg geplatzt!» Letztmals hatte mit Christine O'Neil 1978 eine Australierin in Melbourne gewonnen.
Muchova war völlig fertig
Karolina konnte beim Sieger-Interview kaum gerade stehen. «Zum Glück habe ich jetzt eine längere Pause… Im Halbfinal sehen wir dann weiter, wohin die Reise noch geht!» Irgendwie hat man das Gefühl, dass bei den Australian Open fast alles möglich ist.
Das Märchen ist zu Ende
Um 05.10 Uhr stand mit der Amerikanerin Jennifer Brady (25) die Halbfinal-Gegnerin von Muchova fest. Sie beendete in 100 Minuten das unheimliche Märchen ihrer Freundin, der Milliardärstochter Jessica Pegula (wird in einer Woche 27).
Im ersten Satz spielte die Tochter des Besitzers der Buffalo Bills (NFL) und Buffalo Sabres (NHL) fast fehlerlos und einem tollen Tempo – 6:4.
Jetzt Brady gegen Muchova
Doch die als Nummer 22 gesetzte Brady (2020 erst im Halbfinal der US Open gescheitert) spielte dann immer mehr die grössere Routine und Spielpraxis gegen die Nummer 61 der Welt aus. 6:2, 6:1 endeten die beiden nächsten Sätze für Brady.
Freilos für Naomi oder Serena
Brady muss im Halbfinal also gegen Muchova ran und hat gute Chancen auf das Endspiel vom Samstag. Die Siegerin dieser Corona-Spiele (ab morgen wieder mit Zuschauern) wird dann mit grosser Wahrscheinlichkeit Naomi Osaka oder Serena Williams heissen.
Wer diesen Halbfinal-Kracher in der kommenden Nacht (nicht vor vier Uhr MEZ) gewinnt, hat dann praktisch ein Freilos auf die erste Grand Slam-Trophy des Jahres. Ausser es gibt einen neuen Spuk in 18'000 Kilometer Entfernung!
Nachtvogel: Russisches Ade
Mit einem guten Frühstück beendete der TV-Nachtvogel seine zehntägige Bananen, Tee, Bündnerfleisch und Zigarren-Orgie um 7.38 Uhr. Da ging der Russen-Kracher zwischen Daniil Medwedew (Nr. 4) und dem kommenden Star Andrei Rublew (Nr.7) zu Ende. Der ATP-Weltmeister hatte 7:5, 6:3, 6:2 gewonnen.
Medwedew trifft am Freitag im Halbfinal auf den Spanier Rafael Nadal (der den 21. Titel anstrebt) oder den Griechen Stefanos Tsitsipas.
Der TV-Nachtvogel sagt tschüss bis 2022.
Männer
Novak Djokovic – Alexander Zverev 6:7, 6:2, 6:4, 7:6
Grigor Dimitrov – Aslan Karazew 6:2, 4:6, 1:6, 2:6
Daniil Medwedew – Andrei Rublew 7:5, 6:3, 6:2
Stefanos Tsitsipas – Rafael Nadal
Frauen
Simona Halep – Serena Williams 3:6, 3:6
Naomi Osaka – Su-wei Hsieh 6:2, 6:2
Jennifer Brady – Jessica Pegula 4:6, 6:2, 6:1
Ashleigh Barty – Karolina Muchova 6:1, 3:6, 2:6
Männer
Novak Djokovic – Alexander Zverev 6:7, 6:2, 6:4, 7:6
Grigor Dimitrov – Aslan Karazew 6:2, 4:6, 1:6, 2:6
Daniil Medwedew – Andrei Rublew 7:5, 6:3, 6:2
Stefanos Tsitsipas – Rafael Nadal
Frauen
Simona Halep – Serena Williams 3:6, 3:6
Naomi Osaka – Su-wei Hsieh 6:2, 6:2
Jennifer Brady – Jessica Pegula 4:6, 6:2, 6:1
Ashleigh Barty – Karolina Muchova 6:1, 3:6, 2:6