London 2011: «Zwei Fragen und nicht mehr», höre ich Nicola Arzani sagen, der verantwortlich für die Koordination der Presse ist. Soeben hat Roger Federer gegen Jo-Wilfried Tsonga zum sechsten Mal die ATP Finals gewonnen. Ich stehe mit Mikrofon und Kameramann am Netz des Centre Courts in der gigantischen O2 Arena Londons und warte auf den Champion, der den frenetisch jubelnden Fans zuwinkt, um ihm vor laufender Kamera ein paar Fragen zu stellen.
Als Roger nach der letzten Ehrenrunde vor mir steht, braucht Zürich ein paar Sekunden, um nach London zu schalten. Kampferprobt nutze ich die Gelegenheit: «Gratuliere, Roger! Da mir Nicola heute nur zwei Fragen erlaubt, wäre es schön, wenn du ein wenig ausführlicher antworten könntest.» «Stell gerne drei», kommt es kurz und bündig von Roger zurück.
Anschliessend muss ich mir von Arzani eine Strafpredigt anhören. Nicht die erste nach einem Interview mit Roger Federer. In Wimbledon wurde mir mit dem Entzug der Akkreditierung gedroht, sollte ein Interview nochmals länger als zwei Minuten dauern. Nur, Roger antwortete öfter länger, wenn er ins Sinnieren kam. Und wer fällt dem grossen Meister schon ins Wort, weil eine Uhr die Sekunden herunterzählt.
Pressesäle laufen über
Was sich wie eine Schikane der Verantwortlichen anhört – zwei oder drei Fragen, was macht das für einen Unterschied? –, war im Fall von Roger Federer notwendig. Täglich wollten bis zu zwei Dutzend Fernsehstationen Interviews mit ihm. Nach jedem Match brachte er die grössten Pressesäle zum Überlaufen. Die Aufgabe von Personen wie Arzani war es, den Pressemarathon auf ein erträgliches Mass für Roger zu reduzieren und gleichzeitig die Medien zu bedienen, die das Interesse am Tennis schüren.
2002 in Shanghai, bei Rogers erster Teilnahme an den Finals, mussten wir ihn noch nicht mit der ganzen Welt teilen. Wir filmten in seinem Hotel und machten sogar einen kurzen gemeinsamen Spaziergang, um schöne Bilder von Roger in China schiessen zu können. Das waren noch Zeiten.
Rogers Karriere war ein unglaublicher Ritt für alle, die dabei sein durften. Vielleicht ergibt sich irgendwann wieder einmal ein Spaziergang mit Roger. Ich hätte noch so viele Fragen, die ich nie stellen durfte.