Leitartikel zum Federer-Rücktritt
Der Grösste aller Zeiten – für immer

Es ist soweit, Roger Federer hat seine Karriere beendet. Sein ästhetisches Zauber-Tennis wird uns bitter fehlen. Der Leitartikel von Sportchefin Steffi Buchli und Tennis-Reporterin Cécile Klotzbach.
Publiziert: 15.09.2022 um 18:04 Uhr
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Aktualisiert: 15.09.2022 um 19:31 Uhr
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Ein ganz Grosser tritt ab: Roger Federer hat seine Karriere beendet.
Foto: imago images/Xinhua

Nun ist er da, der gefürchtete Moment. Zum Glück konnten wir uns in den vergangenen Corona-Monaten und der gleichzeitigen langen Verletzungs-Absenz schon etwas daran gewöhnen. Es kommt nicht wie ein plötzlicher Schock daher. Aber die Fahnen bei Swiss Tennis in Biel und anderen Schweizer Tenniszentren sollten dennoch auf Halbmast wehen.

Die Ära Roger Federer ist passé. Und damit die verwöhnte Sonderstellung der Schweiz als Herkunftsland des grössten aktiven Tennisspielers, den es in der Geschichte dieses Sports je gab. Ja, des Grössten – auch wenn es über diese Adelung im Vergleich mit Rafael Nadal und Novak Djokovic international immer wieder Diskussionen gibt.

King Roger auf ewig auf dem Thron

Für uns in der Schweiz ist Federer «The GOAT» (Greatest Of All Times – der Grösste aller Zeiten). Egal, dass er in der Anzahl Wochen als Nummer 1 und in der Anzahl Grand-Slam-Titel überholt worden ist.

Lassen wir solche Zahlen, über die sich immer streiten lässt, beiseite. Es gibt auch diskussionslose Faktoren, die unseren King Roger auf ewig auf dem Thron sitzen lassen. So hat er über 20 Jahre lang das mit Abstand abwechslungsreichste und schönste Tennisspiel zelebriert, und dieses bis ins Jungsenioren-Alter auch immer wieder innovativ weiterentwickelt. Stichwort «SABR» (Sneak Attack by Roger), der von ihm erfundene Return-Halbvolley, mit dem er nicht selten seine Gegner überraschte.

Dazu ist RF mit Abstand der Athlet mit der grössten Strahlkraft auf der Tour. Seit 2003 erhielt Federer 19 Mal in Folge bis zum letzten Voting 2021 den ATP-Award als der bei den Fans beliebteste Spieler. Diese Meinung teilen selbst kritische Journalisten der Szene. Wie oft erhielt man in den Jahrzehnten sogar als Schweizer Medienvertreter Gratulationen für diesen fairen, offenen, vielsprachigen und reflektierten Landsmann Federer – als hätte man selbst etwas zu diesem Gottes-Geschenk im Tennis beigetragen.

Spielerisch und charakterlich eine Ikone

Sein leuchtender Stern spiegelt sich klar auf dem Werbemarkt wieder – und zwar weit über sein Karriereende hinaus. Der gute Ruf der Schweiz mag ihm dabei helfen. Natürlich auch sein professionelles Management, mit dem er ein Imperium aufgebaut hat, das ihm auch fortan ein erfülltes Leben als Geschäftsmann und Wohltäter mit seiner Roger Federer Foundation für benachteiligte Kinder in Afrika und der Schweiz garantiert.

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Aber dass Federer dank seiner zum Teil lebenslangen Sponsorenverträge von «Forbes» im Jahr 2020 zum reichsten Sportler der Welt benannt wurde – mit 106,3 Millionen Dollar Einkünften im letzten Jahr, vor Cristiano Ronaldo (2.), Lionel Messi (3.), Neymar (4.) und LeBron James (5.) – das darf er hauptsächlich sich selbst zuschreiben. Er ist spielerisch und charakterlich eine Ikone und deshalb als Botschafter einzigartig.

Tennis in nie dagewesene Höhen getrieben

Und das wird unser Roger National auch bleiben. Beim Barkeeper in New York, Bademeister in Rio, Taxifahrer in Tokio oder beim Zeitungsverkäufer in Paris werden wir wohl noch ein Weilchen mit unserem Superstar angeben können («I come from Switzerland, yes, the Federer-Land!»). Sein ästhetisches Zauber-Tennis aber wird uns und der ganzen Tenniswelt bitter fehlen. So einer wie er wird die Schweiz – bei allem Respekt für die kommende Swiss-Tennis-Zunft – sehr wahrscheinlich nie mehr repräsentieren. Mit seinem Talent war Federer schon seit seinen frühen Anfängen eine Ausnahmeerscheinung, und viele seiner Rekorde dürften lange, wenn nicht ewig anhalten.

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Und egal, wie viele Grand-Slam-Titel und Wochen als Weltnummer 1 Nadal und Djokovic letzten Endes noch sammeln werden – nicht einmal sie werden vergessen, wem sie ihre historischen Marken letztlich auch zu verdanken haben: Roger Federer. Er war der Erste, der das moderne Tennis in nie dagewesene Höhen trieb. Wer nachziehen wollte, musste einen Extragang einlegen, was nur die beiden Rivalen aus Spanien und Serbien sensationell geschafft haben. Es ist nun an ihnen, die kommenden Generationen zu inspirieren. Federer ist Tennisgeschichte.

Danke, Roger, dass Du es so lange gemacht hast.

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Foto: imago/Panoramic International
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