Rosset kritisiert die neue Tennis-Generation
«Früher musste man für gutes Geld noch Turniere gewinnen»

Was zeigen die Youngsters an den French Open? Ex-Profi Marc Rosset tut sich schwer mit gewissen Entwicklungen im heutigen Tennis – der Olympiasieger von 1992 ortet noch viel Luft nach oben bei Carlos Alcaraz, Jannik Sinner und Co. Und auch im Schweizer Nachwuchs.
Publiziert: 31.05.2024 um 16:59 Uhr
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Aktualisiert: 01.06.2024 um 09:33 Uhr
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Marc Rosset glaubt, für die neue Tennis-Generation ist es noch ein weiter Weg bis zum Superstar-Status.
Foto: BENJAMIN SOLAND
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Marco PescioReporter Sport

Werden die French Open das Turnier, das die bereits eingeläutete Wachablösung an der Weltspitze untermauert? Oder schlägt der zuletzt formschwache Novak Djokovic (37) doch wieder rechtzeitig zurück?

Das Teilnehmerfeld in Paris ist in diesem Jahr so offen wie schon lange nicht mehr. Zu viele Fragezeichen stehen auch hinter den in den letzten Jahren aufstrebenden Top-Youngsters Carlos Alcaraz (21) oder Jannik Sinner (22). Beide fielen vor Roland Garros verletzt aus und wissen selbst nicht, wo sie gerade stehen.

Beide zählen aber auch in Paris nicht nur zu den grossen Favoriten, sondern auch zu den klaren Fan-Magneten des zweiten Grand-Slam-Turniers des Jahres. Was den Zuschaueraufmarsch und die Aufmerksamkeit anbelangt, stehen sie den älteren Superstars wie Djokovic oder Rafael Nadal (37) in kaum mehr etwas nach. Doch haben sie auch das Zeug dazu, ebenfalls Ikonen dieses Sports zu werden?

Ex-Profi Marc Rosset (53) bleibt vorerst skeptisch. «Meiner Meinung nach fehlt den jungen Stars die Aura, die ein Roger Federer (42) oder ein Rafael Nadal umgibt», sagt der Olympiasieger von 1992, als Blick ihn vor den French Open am Geneva Open zum Gespräch trifft.

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Marc Rosset glaubt, für die neue Tennis-Generation ist es noch ein weiter Weg bis zum Superstar-Status.
Foto: BENJAMIN SOLAND

Der Genfer findet Vergleiche mit den «Big 3» oder den «Big 4», wenn man Andy Murray (37) dazuzählt, «schwierig». Hierfür sei es erstens noch zu früh und zweitens fehle die absolute Dominanz: «Bei den früheren Superstars hat man eine unglaubliche Konstanz festgestellt. Das können die heutigen Youngsters einfach noch nicht vorweisen. Für mich ist das Niveau des Spiels aktuell ein bisschen tiefer als vor ein paar Jahren.»

Das liege auch daran, dass so manchem Spieler der «Plan B» fehle. Rosset nimmt da auch die «mittlere Generation» in die Pflicht: «Nehmen wir einen Andrey Rublev (26). Er spielt wirklich super, aber er kann nicht gross variieren. Er hat keine Defensive.»

«Es reicht schon ein einziger guter Vertrag»

Rosset glaubt, die immer grösser gewordenen Geldbeträge im Tennis könnten ihren Beitrag dazu geleistet haben: «Ich weiss nicht, ob es noch viele Spieler gibt, die richtig Lust haben, fünf oder sechs Grand Slams zu gewinnen.» Er verweist auf höhere Startprämien oder auf lukrative Showturniere, die für die Verpflichtung eines interessanten Spielers schnell einmal sechs- oder siebenstellige Summen lockermachen. Rosset: «Früher musste man für gutes Geld noch Turniere gewinnen, im heutigen Sport ist das anders. Da reicht schon ein einziger guter Vertrag.»

Und was hält er vom eigenen Nachwuchs in der Heimat? Dominic Stricker (21) und Leandro Riedi (22) findet er «spannend»: «Dominic kann mit dem Ball alles anstellen – und wie Riedi beim Return draufhaut, ist unglaublich. Sie haben Potenzial. Doch wohin ihr Weg führt, ist schwer abzuschätzen. Das hängt von vielem ab. Von ihrem Umfeld, ihrer Einstellung und davon, ob sie sich von besagtem Geld zu fest ablenken lassen.»

Hat die Schweiz ein Doppel-Problem?

Und dann sagt Rosset: «Es gibt aber auch Dinge im Schweizer Tennis, die verstehe ich nicht. Warum etwa gibt es seit Jahren kein richtiges Doppel-Team? Wir haben einige Spieler, die sich Mitte 20 in der Weltrangliste immer noch im Bereich zwischen Platz 200 und 400 bewegen. Warum spezialisiert sich niemand nur aufs Doppel? Ich würde es bevorzugen, im Doppel richtig gut zu sein und womöglich die grossen Masters-Turniere spielen zu können, statt Ewigkeiten in den Challenger-Turnieren zu verbringen.»

Rosset erklärt, er wisse nicht, «wessen Fehler» das sei. Er zuckt mit den Schultern und lacht: «Vielleicht bin ich auch einfach zu alt, um die heutige Tennis-Welt zu verstehen.»

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