Nadal-Wunder? Wawrinka-Coup? Swiatek-Dominanz?
Günthardt macht den grossen Favoritencheck vor French Open

Alle Augen sind in Roland Garros auf die mögliche Dernière von Rafael Nadal gerichtet. Doch auch die beiden einzigen Schweizer Vertreter erwartet ein echter Kracher. Blick-Tennisexperte Heinz Günthardt über die Ausgangslage vor dem zweiten Grand-Slam-Turnier des Jahres.
Publiziert: 25.05.2024 um 19:29 Uhr
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Aktualisiert: 26.05.2024 um 12:02 Uhr
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Wohin führt sein Weg noch? Rafael Nadal ist in Paris an den Ort seiner grössten Erfolge zurückgekehrt.
Foto: Sven Thomann
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Heinz GünthardtBlick-Kolumnist

Das Männer-Feld

Einen Favoriten? Den gibts in diesem Jahr im klassischen Sinn nicht. Novak Djokovic (37) gibt mit seinen Auftritten in diesem Jahr – ohne einen einzigen Finaleinzug – ein Rätsel auf. Jannik Sinner (22) kämpfte zuletzt mit seiner Hüfte, Carlos Alcaraz (21) mit seinem Arm. Für die beiden Youngster wird es nicht einfach sein, ausgerechnet bei einem Grand-Slam-Turnier direkt wieder im Format über fünf Sätze zu starten. Die grosse Geschichte von Paris ist in diesem Jahr aber der möglicherweise letzte Auftritt von Rekordchampion Rafael Nadal (37). Er selbst sagte, die «Chance sei hoch», dass dies der Fall sein werde, auch wenn er «die Türe noch nicht ganz schliessen» wolle.

Dass er in Runde eins direkt auf den an Nummer vier gesetzten Alexander Zverev (27) trifft, beschert dem Turnier einen Mega-Kracher. Ein Spiel, das sich niemand entgehen lassen wird. Ein Spiel, das Nadal aufgrund seiner Vergangenheit in Roland Garros absolut verdient. Gewinnt er, dann ist es ein fantastischer Erfolg. Verliert er, hat er mit Zverev gegen einen Gegner verloren, gegen den in Paris absolut alle verlieren können. Denn Zverev traue ich enorm viel zu, es könnte tatsächlich sein grosses Jahr werden. Nach seinem Titel in Rom wird der Deutsche – trotz Nebengeräuschen wegen der Gerichtsanhörung wegen Vorwürfen häuslicher Gewalt – mit viel Selbstvertrauen angereist sein.

Und Nadal? Der wird seine möglicherweise letzte Partie in Paris hoffentlich geniessen können. Doch wo er spielerisch und körperlich steht, weiss er selbst nicht so recht. Ich habe ihn während der Qualifikationswoche auf der Anlage im Training beobachtet. Trotz des starken Regens machte er unbeirrt weiter, er schien überhaupt nicht zufrieden und diskutierte minutenlang mit seinem Trainer Carlos Moya. Jeden anderen hätten die Turnier-Verantwortlichen wohl vom Platz gescheucht und ihm gesagt: «Du machst uns den Platz kaputt!» Doch bei Rafa ist das was anderes – als hätten sie für den 14-fachen Roland-Garros-Sieger eine Extra-Regel aufgestellt. Doch auch diese hat er sich verdient, genauso wie er auf dem Pariser Sand nichts mehr zu beweisen hat. Auch nicht gegen Zverev.

Der Schweizer

Stan Wawrinka (39) wird sich über die Auslosung, auf Andy Murray (37) zu treffen, freuen. Er hat zwar mehr Spiele gegen den Schotten verloren (9:13 Siege), doch auf Sand ist er im Normalfall besser. Und an den French Open führt er in der Statistik 2:1. Murray wird umgekehrt auch nichts dagegen haben, einem Spieler gegenüberzustehen, der in diesem Jahr bislang viel Mühe hatte. Es wird eine tolle Partie zweier Stars, die dem Tennis durch ihre je drei Grand-Slam-Titel so viel gegeben haben. Ein Legenden-Duell, das ebenfalls die ganz grosse Bühne verdient. Denn auch bei ihnen beiden könnte es das jeweils letzte Mal in Roland Garros sein.

Das Frauen-Feld

Bei den Frauen ist die Situation völlig anders: Da schwebt eine grosse Favoritin über allen, und die heisst Iga Swiatek (22). Es wird kein Weg an ihr vorbeiführen. Die Polin ist nicht nur die Weltnummer eins und reist mit Turniersiegen in Doha, Indian Wells, Madrid und Rom im Gepäck an – sie hat auch in Paris schon dreimal gewonnen. Es müsste schon viel zusammenkommen, wenn sie hier nicht erneut den «Coupe Suzanne Lenglen» in die Höhe stemmt. Dahinter folgt in der zweiten Reihe ein Trio, das sich ebenfalls gute Chancen ausrechnen darf. Zuerst: Aryna Sabalenka (26), die Australian-Open-Siegerin, die zuletzt in Madrid und Rom gegen Swiatek im Final stand. Auch Elena Rybakina (24) kann brandgefährlich sein, sie führt in der Head-to-Head-Statistik gegen Swiatek gar mit 4:2. Und Coco Gauff (20) zählt für mich ebenfalls zum Kreis der Mitfavoritinnen. Gut möglich, dass sie nach dem US-Open-Titel im letzten Jahr ein wenig befreiter aufspielen kann.

Die Schweizerin

Viktorija Golubic (31) ist unsere einzige Schweizerin – auf einem Pflaster, das bislang nicht ihr bestes war. Sie kam hier nie über Runde zwei hinaus. Und doch: Weil sie gegen die Tschechin Barbora Krejcikova (28), die Paris-Siegerin von 2021, spielt, kann sie ohne Erwartungsdruck ins Turnier gehen. Zuzutrauen ist ihr sehr viel. Wegen Krejcikova wird sie wohl auf einem grösseren Platz spielen dürfen. Ich hoffe, sie kann sich von der guten Atmosphäre tragen lassen.

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