«Nach dem gestrigen erfolgreichen Treffen freuen wir uns, den Beginn der Professional Tennis Players Association (PTPA) zu verkünden. Die erste reine Spieler-Vereinigung im Tennis seit 1972.» So lautete Novak Djokovics Tweet, den er mit einem Bild, auf dem sich 63 Anhänger seiner neuen Bewegung einen Tag vor Start der US Open demonstrativ auf einem Centre Court versammelt haben, postet.
Die gleiche Message wird von anderen Spielern, darunter der Kanadier Vasek Pospisil, der Kroate Ivo Karlovic, der Inder Rohan Bopanna u.a., ins Netz gestellt. Ösi Oliver Marach solidarisiert. Wer neben Pospisil und dem Amerikaner John Isner, die beide wie die Weltnummer 1 aus dem Board des ATP-Spielerrats zurückgetreten sind, sonst noch aus den Top-500 Einzel- und Top-200 Doppelspielern an Bord steigt, ist auf dem Foto nicht klar erkennbar.
Zwei Lager im Männer-Zirkus
Sicher ist: Nachdem sich mit Rafael Nadal und Roger Federer die Superstars mit der grössten Strahlkraft im Zirkus mit dem Tenor «es braucht jetzt Einheit statt Spaltung» gegen Djokovics Initiative geäussert haben, werden sich die Stimmen in zwei Lager aufteilen: Diejenigen, die dem neuen ATP-Vorsitzenden Andrea Gaudenzi (It), dem Nachfolger des von Djokovic abgesetzten Chris Kermode, bei der Umsetzung neuer Ideen eine Chance geben. Und diejenigen, die nach wie vor frustriert mit der aktuellen Situation und dem derzeitigen Krisenmanagement sind, mehr Mitspracherecht auf der Tour fordern.
Die Konsequenz: Ein Machtkampf ist entbrannt, den Nadal und Federer, die nach den Unruhen in der ATP wieder in den Spielerrat zurückgekehrt sind, in eben diesen schwierigen Corona-Zeiten gerade nicht wollen. Wie werden sich die anderen Stars entscheiden?
Andy Murray ist einer der Ersten, die sich meldeten. Er lehnt eine neue Spielervereinigung zwar nicht prinzipiell ab, findet den Zeitpunkt aber ungeeignet und das Konzept noch zu unausgereift, solange 50 Prozent der Aktiven nicht berücksichtigt würden, nämlich die Frauen. Der Grieche Stefanos Tsitsipas («ich habe damit nichts zu tun») ist ebenso zurückhaltend wie der Russe Daniil Medwedew, der sich erst intensiver mit der Materie beschäftigen will, bevor er sich entscheidet. Sergei Stachowski, ehemaliges Mitglied im Spielerrat, zweifelt: «Das wirft Fragen auf. Keine einzige wird beantwortet.»
Von einem Gespräch mit Djokovic-Jüngern in der Umkleide erzählt der Brite Dan Evans. Sie seien unverrückbar der Meinung, dass es die PTPA braucht. «Ich muss sogar sagen, dass sie ziemlich passiv-aggressiv sind, wenn man dagegen ist», sagt Evans.
Als Gegner der neuen Idee erweisen sich in einem Brief die weiteren verbliebenen Mitglieder des ATP-Spielerrats: Kevin Anderson (SA), Jürgen Melzer (Ö), Bruno Soares (Bra) und Ami Sam Querrey – interessanterweise ein dicker Freund und jetzt Gegner John Isners.
Was macht die «Next Gen»?
Apropos dicke Freunde: Auf welche Seite stellen sich die Top-Spieler der neueren Generation Alexander Zverev, Dominic Thiem oder Nick Kyrgios? Der Deutsche ist spätestens seit der Südamerika-Tour Ende letzten Jahres eng mit dem Schweizer Federer verbunden und gehört auch dessen Management-Agentur «Team 8» an. An Djokovics Adria-Tour amüsierte er sich allerdings auch – Zverev dürfte im Clinch sein. Thiem distanziert sich derweil: «Ich habe nicht unterschrieben. Die ATP macht einen guten Job, Tennis ist in einer guten Position», sagt er am Rande der US Open.
Und Kyrgios? Nun, der nimmt in seinem letzten Tweet erneut kein Blatt vor den Mund. «Ein höllischer Tennisspieler», sagt er zu Djokovics Ungeschlagenheit in diesem Jahr. «Aber leider lässt er Führung und Demut missen, wenn es drauf ankommt.» Der Australier spielt damit einmal mehr auf das Corona-Debakel nach der Adria Tour an. Aber ob er sich der von Djokovic geführten PTPA anvertrauen würde, ist damit wohl auch beantwortet.