Die heute startende Corona-Ausgabe der US Open findet in einer kontrollierten Blase statt. Bedeutet: Die grösste Tennisbühne der Welt bleibt verwaist – durch Abwesenheit der Fans und viele Superstars. Auch aus Schweizer Sicht herrscht Dürre. Roger Federer setzt den Rest des Jahres aus, Stan Wawrinka setzt nur auf die Sandsaison – alle anderen Schweizer sind zu schlecht klassiert für das zweite Grand-Slam-Turnier des Jahres.
Erstmals seit den US Open 1989 findet ein Grand-Slam-Turnier ohne Schweizer Männer statt. Nie mehr seit damals war die Schweiz derart schwach aufgestellt. Einzige Schweizerin in New York 1989 war Eva Krapl als Weltnummer 124. Seit diesem Turnier war die Schweiz immer durch mindestens einen Top-50-Akteur vertreten.
Schweiz 2020 ohne Top-50-Akteur vertreten
Weil heuer auch Belinda Bencic in Europa bleibt, reisst diese Serie knapp. Jil Teichmann ist die Weltnummer 51 bei den Frauen und unsere Hoffnungsträgerin. Unterstützt wird sie von Stefanie Vögele (WTA 112) und Viktorija Golubic (WTA 123). Neben der Freude über 61000 Dollar Preisgeld, die allein fürs Antreten ausgeschüttet werden, hofft natürlich jede einzelne des Trios nach den Absagen vieler Top-Klassierter auf einen Exploit.
Vögele traf das Los zwar hart. Die Aargauerin bekommt es am Dienstag in Runde 1 mit der Griechin Maria Sakkari (WTA 22) zu tun, die letzte Woche Serena Williams geschlagen hat. Golubic geht – zumindest gegen die Weissrussin Vera Lapko (343) – in der Nacht auf Morgen als Favoritin in die Startrunde. Die besten Aussichten hat aber eindeutig Teichmann. Und das nicht nur, weil die spanische Auftaktgegnerin Aliona Bolsova (WTA 103), gegen die sie im Quali-Duell vor einer Woche 6:2, 6:2 gewann, absolut in Reichweite liegt (Match am Dienstag).
Teichmann in Form
Alle Hoffnungen ruhen auf Jil. Denn als Einzige greift die 23-jährige Bielerin schon seit zwei Wochen erfolgreich ins Geschehen der US-Tour ein. In Lexington erreichte sie den Final, beim nach New York verlegten Turnier in Cincinnati überstand sie die Quali und die Startrunde im Hauptfeld, bevor sie der Estin Annett Kontaveit (WTA 20) unterlag. Nach der langen Corona-Pause überraschte sich Teichmann mit diesem Re-Start beinahe selbst. «Eine solche Situation habe ich noch nie erlebt, so wusste ich nicht, wo ich stehen würde», hatte sie vor einer Woche gesagt, «aber es zeigte sich, dass die Lage für alle gleich ist.»
Teichmann, unser heisses Eisen im Feuer von Flushing Meadows? Ein warmes Eisen zumindest. Von ihr den Titel zu erwarten, wäre vermessen und unrealistisch. Bei vier Versuchen in einem Grand-Slam-Hauptfeld konnte die in Spanien aufgewachsene Jil erst einen Match gewinnen (US Open 2018). Es ist aber gut möglich, dass sie den hiesigen Tennis-Fans, welche die Schweizer Partien live auf SRF TV-oder Sport-App (sofern sie produziert werden) verfolgen können, ein paar Runden lang viel Freude bereitet.