Blick: Lynette und Robert Federer, was geht Ihnen beim Gedanken durch den Kopf, dass Ihr Sohn Roger 40 Jahre alt wird?
Lynette: Man denkt nur: Wow – 40!
Robert: Ja, gerade letztens sagte ich: Rogi, ich bin fast doppelt so alt wie du!
Sie sind erst 75 ...
Robert: Stimmt, immerhin kann ich ihn in diese Richtung nicht mehr einholen. Und zum Glück hat er schon eigene Kinder, so haben wir Grosskinder – das macht das Leben auch so schön.
Erkennen Sie in den Enkelkindern Eigenschaften von Roger?
Robert: Ja, der eine oder andere schlägt schon mehr in die Linie. Es sind gewisse Charaktereigenschaften zu erkennen, die Rogi früher auch hatte. Aber ich möchte jetzt nicht im Detail darauf eingehen, welches der Enkelkinder das nun ist.
Wie war er denn damals?
Lynette: Das sage besser ich. Robbie war damals ja kaum daheim, reiste immer für das Geschäft herum. Roger war lustig, aktiv, er hatte stets viele Kollegen, und es musste immer was laufen. Man merkte früh, dass er einen grossen Bewegungsdrang hatte – so war ich übrigens auch. Egal, ob das auf dem Skateboard, auf dem Velo, an der Tischtennisplatte oder beim Squash mit Robbie war. Es war schön zu sehen, wie er offensichtlich Freude daran hatte. Aber es war kein Müssen, er hat das einfach geliebt. Kaum konnte er laufen, musste er immer einen Ball dabei haben und war er irgendwo am Fussballspielen.
Dachten Sie damals jemals daran, dass er es einmal weit bringen würde?
Lynette: Andere sagten oft, wie wahnsinnig gross sein Talent sei oder wie gut er schon in jungem Alter mit dem Ball umgehen konnte. Aber so viele grosse Erfolge, die er dann realisiert hat, haben wir damals nicht vorausgesehen.
Robert: Wir sahen in ihm nicht den Star am Himmel und haben entsprechend danach gelebt. Nein, lange Zeit haben wir einfach abgewartet, wie es kommen würde.
Und doch gaben Sie ihm die Chance, sich den Traum des Profisportlers zu erfüllen. Wann kam der Moment, dass Sie an ihn glaubten?
Robert: Als er etwa mit 17 die Nummer 1 der Junioren wurde.
Lynette: Und als er im gleichen Jahr das Juniorenturnier in Wimbledon gewonnen hatte. Da erst hatten wir das Gefühl, er könnte tatsächlich Grosses auf der ATP-Tour schaffen.
Robert: Da sagten wir uns: Jetzt können wir ihn geruhsam laufen lassen ...
Heute hat er 20 Grand-Slam-Titel und ist einer der grossen Superstars der Welt. Trotz anerzogener Bodenständigkeit verändert das einen Menschen zwangsweise. Haben Sie bei ihm einen Wandel festgestellt?
Robert: Das kann man nicht im Speziellen sagen. Ein allfälliger Wandel kam sicher nicht plötzlich und auf einen Schlag.
Welche Erfolgseigenschaften hat er denn von Ihnen geerbt?
Robert: Sicher sieht er mal aus wie ich. Das hat er eindeutig von mir und niemand kann das leugnen.
Lynette: Die Disziplin und den Bewegungsdrang hat er sicher von mir. Auch das Balltalent, würde ich sagen.
Sind Sie, Herr Federer, auch ein guter Tennisspieler?
Robert: Sehen Sie, ich musste in jungen Jahren arbeiten und hatte keine Gelegenheit, Tennis oder Fussball zu spielen.
Lynette: Du hast doch auch Interclub gespielt ...
Robert: Ich rede vom Teenageralter. Mit 15, 16, 17 haben wir, die auf dem Land aufgewachsen sind, anderes zu tun gehabt. Erst mit etwa 25 spielte ich zum ersten Mal Tennis.
Lynette: Ich habe es auch erst spät gelernt. Mit 18, als ich Robbie kennengelernt habe. Und ich habe Robbie ziemlich bald überholt.
Gibt Roger als vierfacher Vater seinen Kindern die gleichen oder ähnliche Werte mit auf den Weg, wie Sie ihm mitgegeben haben?
Lynette: Ja, ich glaube, das macht er, die Erziehung färbt schon ab. Zum Beispiel, dass er gerne mit seinen Kindern im Freien ist, in die Berge geht – solche Dinge haben wir auch mit unseren Kindern oft unternommen. Wir gingen viel wandern oder waren mit dem Velo unterwegs.
Robert: Seine Hilfsbereitschaft gehört auch zu den Werten, die wir ihm hoffentlich mitgeben konnten. Er schaut nicht zuerst auf sich selbst. Das sehen Sie auch zu Zeiten dieser Pandemie, da hat er viel geholfen, und es ist ihm ein Anliegen, auch grosszügig zu spenden.
Lynette: Und doch sind Mirka und Roger zwei andere Menschen als Robbie und ich damals waren. Sie machen es, wie sie es am besten finden, und das ist auch richtig so. Jedes Ehepaar muss seinen eigenen Weg finden. Allein schon der digitale Wandel der Zeit bedingt, dass es heutzutage anders läuft. Als Roger auf die Welt kam, gab es noch nicht einmal E-Mails.
Robert: Klar, unsere Kinder spielten nicht vor dem Computer.
Ist Roger als Mensch seit der Vaterschaft ruhiger geworden?
Lynette: Ich würde sagen, er bleibt sich selber treu. Er ist, wie er ist, nach wie vor sehr lustig und spielt gerne wild mit seinen Kindern. Aber als Vater kann er natürlich nicht immer nur der liebe Papi sein. Zwischendurch muss er auch streng sein und durchgreifen – und das macht er durchaus. Ich finde, er hat diesbezüglich eine sehr gute Mischung.
Papa Roger ist jetzt 40 und spielt immer noch professionell Tennis. Hätten Sie damit je gerechnet?
Lynette: Nein, eigentlich nicht, aber sicher folgt er dabei seinem Instinkt und der Liebe zu dem Sport. Dazu hat sein Körper das in den letzten 25 Jahren auf hohem Niveau relativ gut mitgemacht.
Freuen Sie sich, dass Sie seine Karriere noch länger als erwartet verfolgen zu können?
Robert: Es geht da nicht um uns. Es ist einfach toll, wie er noch immer für das Tennis lebt. Und man sieht, was er alles auf sich nimmt, die ganzen Mühen des Wiederaufbaus nach seiner Verletzung – das ist schon bewundernswert. Roger lebt seinen Traum. Wir akzeptieren das und reden ihm da nicht rein.
Bespricht er sich mit Ihnen, wenn es um Entscheidungen wie sein Karriereende geht?
Lynette: Das sind persönliche Dinge, die bleiben familienintern.
Sie kümmern sich intensiv um seine Stiftung, die Roger Federer Foundation. Gibt es Pläne, dass sich Ihr Sohn nach seinem Karriereende mehr selbst darum kümmern wird?
Robert: Das wird er sich sicher vermehrt vornehmen. Aber warten wir mal ab, wann er den Rücktritt gibt und was er dann machen will. Wir wissen das auch nicht genau.
Lynette: Es ist ja bereits grossartig, was er jetzt schon für seine Stiftung leistet. Dass bei der Versteigerung seiner Erinnerungsstücke, der unterschriebenen persönlichen Gegenstände wie Schläger, Matchoutfits und Schuhe, ein so grosser Spendenbetrag für gute Zwecke zusammengekommen ist, hat uns beispielsweise hoch erfreut.
Hat es Roger nicht auch ein wenig gereut, die vielen persönlichen Dinge, die ihn an seine Erfolge erinnern, abzugeben?
Robert: Was soll er denn damit machen, die Sachen weiter in den Schränken verstauben lassen? Du kannst doch nicht alles behalten – jeden Wimbledon-Schuh, jedes Paris-Leibchen behalten – du musst dich doch auf das Wichtigste beschränken! Da ist es doch viel gescheiter, wenn der Betrag dafür in die Stiftung fliesst. Ich finde das grossartig von Mirka und Rogi.
Lynette: Mittlerweile profitieren an die zwei Millionen Kinder von der Stiftung, das zeigt doch, dass sie auf einem guten Weg ist und wir ganz gute Arbeit leisten. Dies, obwohl es für Sportler wie auch für die Philanthropie keine einfachen Zeiten sind. Wir machen unser Möglichstes und sind durchs ganze Jahr hinweg sehr aktiv. Das Aufbewahren und Intakthalten von Rogers Gegenständen ist übrigens vor allem Mirka zu verdanken.
Robert: Ja, die Aktion im Auktionshaus Christie's war Mirkas Idee. Was sie da unternommen hat, ist einfach toll – wir hätten nie gedacht, dass dabei so viel Geld generiert werden kann. Wir haben gedacht, es würde in diesen Corona-Zeiten schwer werden. Weil wir nicht wussten, was uns erwartet, haben wir 2020 auch keinen Federer-Kalender mehr herausgegeben. Aber nun haben wir uns vor kurzem dazu entschlossen, dass es dieses Jahr wieder einen geben soll.
Wie sehen Sie den Einfluss der Pandemie auf Rogers Karriere? Segen wegen der Verletzungspause oder Fluch, weil ihm eines der letzten Karrierejahre geraubt wurde?
Robert: Ich denke nicht, dass ihm ein Jahr geraubt wurde – das hatte nichts mit Corona zu tun.
Haben Sie bedauert, dass er an den Olympischen Spielen nicht mitmachen konnte?
Robert: Wir haben extrem Freude an den beiden Schweizerinnen Bencic und Golubic, die in Tokio so erfolgreich gespielt haben. Das war einfach super zum Zuschauen. Und klar, wenn Rogi jetzt noch mit Belinda Mixed gespielt hätte, wer weiss, was da noch herausgekommen wäre! Es hätte sicher was Grossartiges werden können.
Lynette: Aber es ist auch fantastisch, was die Mountainbikerinnen und alle anderen Schweizer Olympioniken geschafft haben. Sie haben so viele Medaillen geholt, das ist grossartig! Aber auch die Schweizer Nationalmannschaft an der Fussball-EM hat uns begeistert – wir leben den Sport allgemein sehr intensiv und gerne mit.
Was wünschen Sie Roger zum Geburtstag für seinen weiteren Weg?
Robert: Dass er bleibt, wie er ist.
Lynette: Dass er und seine Familie gesund bleiben und dass Roger weiterhin so viel Freude ausstrahlt, aufgestellt ist und seinem Herzen folgt.
Nicht, dass er die US Open gewinnt?
Lynette: So weit denken wir gar nicht. So haben wir es immer gemacht: Schritt für Schritt, und niemals vorausdenken.