Klang alles zu schön, um wahr zu sein? Eines der vielversprechendsten Talente dieses Planeten heuert innerhalb von wenigen Monaten gleich zwei namhafte Coaches an, um die Tenniswelt zu erobern. Erst verpflichtete Holger Rune (20) den früheren Djokovic-Erfolgstrainer Boris Becker (56), dann holte er im Dezember auch noch den ehemaligen Federer-Weggefährten Severin Lüthi (48) an Bord. Geballtes Grand-Slam-Knowhow. Das neue Team wurde medial gar schon mit den «Avengers-Superhelden» verglichen.
Doch rund einen Monat nach Lüthis Einstieg ist aus dem prominenten Trio nur noch ein Duo übrig. Lüthi gehöre nicht mehr dem Team an, erklärte Runes Mutter und Managerin Aneke gegenüber dem dänischen Sender TV 2 Sport. Der Schweizer könne «zu wenig Wochen abdecken, um Holger die nötige Kontinuität zu geben», lautete ihre Begründung.
Kurios: Diese Worte folgen ausgerechnet auf die Australian Open, bei denen es Lüthi war, der Rune vor Ort betreute, und nicht etwa Becker, der aufgrund seines Experten-Jobs bei Eurosport in Deutschland weilte. Und ebenfalls schräg: Dass Lüthi auch noch Davis-Cup-Captain der Schweiz ist und dadurch anderweitige Verpflichtungen (in überschaubarem Ausmass) hat, war dem Rune-Lager beim Abschluss des Deals ebenfalls klar.
«Es war kein Schnellschuss»
Lüthi selbst sagt gegenüber Blick, die Trennung sei im Guten erfolgt. Das Argument von Aneke Rune, das «Timing» habe «nicht gestimmt», bestätigt er: «Wenn man dies merkt, dann sage ich: Lieber trennen wir uns bereits jetzt als erst in einem halben Jahr.»
Lüthi betont ebenfalls, die Zusammenarbeit sei «alles andere als ein Schnellschuss» gewesen: «Ich überlege mir solche Dinge gut, vielleicht manchmal zu gut. Ich bin froh, durfte ich diese Erfahrung machen – es war meine erste Aufgabe nach dem Rücktritt von Roger Federer. Das wird mich persönlich weiterbringen.»
Lüthi kann sich nun neu orientieren. An Angeboten dürfte es dem Berner nicht mangeln, zumal bei ihm schon vor der Kooperation mit Rune immer wieder Anfragen von Profis aus ATP- und WTA-Tour reinflatterten. Die grosse Frage, die diese Blitz-Trennung hervorbringt, ist eine andere: Wo steht eigentlich Rune? Die temperamentvolle Weltnummer sieben befindet sich offensichtlich nach wie vor in einer Findungsphase. Und er erweckt mit zweifelhaften Aussagen nicht gerade den Eindruck, dass er der einfachste Trainings-Schützling darstellt.
Die On-Off-Beziehung mit einem anderen Star-Trainer der Szene, Patrick Mouratoglou (53), endete letztes Jahr endgültig – und unglücklich. Rune sagte in der Netflix-Serie «Break Point»: «Die Leute, die ich einstelle, müssen mir helfen.» Und weiter: «Manchmal denke ich: ‹Warum bist du eigentlich hier?› Ich stelle niemanden ein, damit er einfach nur dasitzt. Es geht also auch um die Frage: ‹Machst du deine Arbeit gut genug?›» Aussagen, die der frühere Serena-Williams-Trainer nicht gerne hören wird.
Will Rune zu schnell zu viel?
Lüthi beschreibt Rune derweil als lustigen Typen, der «unglaublich neugierig» sei, viel nachfrage und sich nicht zu schade sei, Extrarunden zu drehen. Die Vergangenheit zeigte aber auch, dass der Youngster bisweilen zu verbissen ans Werk gegangen ist. Experten kritisierten etwa seinen viel zu vollen Turnierplan im letzten Jahr, in dem er ab Sommer in ein tiefes sportliches Loch gefallen war.
Es bleibt die Frage, ob der von seinem Umfeld – mit der alles dominierenden Mutter als Mittelpunkt – geprägte Däne wirklich offen ist, gravierende Veränderungen in seiner Entwicklung vorzunehmen. Und: Ob Becker imstande sein wird, unter diesen komplexen Rahmenbedingungen endlich nachhaltig Erfolg zu haben.