Günthardt erklärt den Absturz
Das ändert sich jetzt für Wawrinka

Wie lange brennt Stan Wawrinkas Feuer noch? Der Romand blickt auf ein bislang ernüchterndes Tennisjahr zurück. Er muss sich nun die ganz unangenehmen Fragen stellen.
Publiziert: 29.08.2024 um 19:47 Uhr
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Stan Wawrinka wird im Ranking durchgereicht – er fällt aus den Top 200 der Welt.
Foto: keystone-sda.ch
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Heinz GünthardtBlick-Kolumnist

Überall, wo Stan Wawrinka auftaucht, herrscht Freude. Die Turniere mögen ihn, weil er Legenden-, ja aufgrund seiner unverwechselbaren Rückhand gar Kult-Status hat. Die Fans feiern ihn. Egal, ob in Buenos Aires, Roland Garros oder zuletzt an den US Open in New York. Die Marke «Stan the Man» zieht immer noch.

Doch in diesem Jahr, in dem er nie richtig auf Touren und an den Grand Slams nie über die zweite Runde hinaus kam, hat sich etwas Grundlegendes verändert. Wawrinka verliert an sportlicher Relevanz, weil er sein starkes letztjähriges Niveau nicht halten konnte und als Konsequenz nun sogar aus den Top 200 fliegt. Das wiederum hat zur Folge, dass selbst für einen grossen Namen wie ihn die Planungssicherheit immer schwieriger wird.

Er kommt nicht mehr über sein Ranking in die Turnier-Tableaus rein, bei den grossen Events reicht seine Weltranglistenposition nicht einmal mehr für die Qualifikation. Das heisst: Will er weiter auf höchster Ebene mittun, ist er auf Wildcards angewiesen. Wie vor wenigen Tagen an den US Open. Das Problem ist hier aber: Nicht alle Veranstalter können von Beginn an versprechen, dass verdiente Spieler wie er die Wildcard auch garantiert bekommen. Oft ist es so, dass sich die Turnier-Bosse bis zuletzt eine Option offen behalten, falls sich nicht doch noch ein Top-Shot in letzter Sekunde für eine Teilnahme entscheidet. Wie beim ATP-250-Turnier in Genf im Mai, das plötzlich in den Genuss einer Anmeldung von Novak Djokovic kam, weil er kurzfristig Spielpraxis brauchte.

Immer noch eine Freude, ihm zuzuschauen

Wawrinka werden sich einige Türen öffnen, aber vielleicht nicht mehr ganz alle. Also muss er eine Stufe runter, zu den Challenger-Turnieren. Dort werden sie ihn mit Handkuss nehmen, doch in sportlicher Hinsicht ist dies ein gnadenloser Ort. Es ist das Auffangbecken jener, die aus den Top 100 herausgefallen sind und unbedingt wieder zurückwollen –und gleichzeitig jener, die wie die Schweizer Leandro Riedi (22) oder Jérôme Kym (21) versuchen, den Durchbruch zu schaffen. Stan wird dort auf dem Platz viel Gegenwind spüren – hinzu kommt, dass es Wettkämpfe sind, bei denen das Gefühl ganz anders ist. Es ist nicht alles so perfekt und piekfein wie in der Tennis-Beletage.

Die Frage ist: Wie lange und wie fest brennt Stans Feuer noch, um sich noch einmal richtig zurückzukämpfen? Kann er tatsächlich jenes Level erreichen, von dem er denkt, dass er fähig dazu ist? Lohnt sich der ganze Aufwand mit 39 noch? Es ist wie bei Djokovic oder Rafael Nadal – das Ende kommt langsam, und dann ganz plötzlich. Stan muss es selbst spüren.

Nun, es ist nach wie vor eine Freude, ihm zuzuschauen, weil man spürt, dass er grosse Freude an seinem Job hat. Ausserdem sieht er immer noch superfit aus. Doch er muss nun auf sein Gefühl hören – wie einst die Amerikanerin Chris Evert (69). Die 18-fache Grans-Slam-Siegerin hörte damals auf, als sie spürte, dass ihr das Gewinnen gar nicht mehr so wichtig war. Ich traue Wawrinka jedenfalls alles zu. Auch, dass er sogar noch einmal ein Jahr anhängt.

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