Schweizer Youngster in Wimbledon gestoppt
Das Protokoll von Strickers grösstem Tag der Karriere

Dominic Strickers erste Wimbledon-Reise ist nach fünf Partien in elf Tagen vorbei. Blick zeichnet die letzte Etappe des 20-jährigen Qualifikanten auf.
Publiziert: 07.07.2023 um 00:53 Uhr
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Aktualisiert: 07.07.2023 um 20:38 Uhr
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Out in Runde zwei: Debütant Dominic Stricker muss sich von Wimbledon verabschieden.
Foto: Sven Thomann
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Marco PescioReporter Sport

Bye, Wimbledon! Überraschungsmann Dominic Stricker (20) ist draussen. Er unterliegt Frances Tiafoe (USA/25) in Runde zwei 6:7 (11:13), 4:6, 2:6. Am bislang grössten Tag der noch jungen Karriere des Talents aus Grosshöchstetten BE ist nichts zu holen gegen die Weltnummer zehn. Das Protokoll:

7.30 Uhr: Frühe Tagwache im Fussball-Quartier. Stricker ist Nachbar der Stamford Bridge, dem Stadion des Chelsea FC. Der YB-Fan haust in einem offiziellen Turnierhotel. Im Gegensatz zu vielen Top-Spielern hat der Qualifikant noch kein Miethaus im Wimbledon-Village.

8.00 Uhr: Zeit fürs Frühstück. Es gibt mitgebrachtes Müsli, eine Banane. Von Süssem und von Brot lässt er die Finger. Coach Dieter Kindlmann achtet bei jeder Mahlzeit genau auf die Ernährung des Schweizer Nachwuchstalents.

9.00 Uhr: Abfahrt in Richtung Wimbledon-Anlage in einem der luxuriösen Turnier-Shuttles. Mal ist es ein Jaguar, mal ein Land Rover. Stricker wünscht sich Zweiteren – «und zwar immer» – wie Vater und Manager Stephan lachend verrät: «Der ist sehr bequem. Im Land Rover hast du so viel Platz, als würdest du in einem Einfamilienhaus fahren.»

10.00 Uhr: Stricker kommt an der Church Road an, begibt sich sofort in die Kabine. Alles, was nötig ist, wird eingetaped. Erst der Fuss, dann der Rücken, der kürzlich Probleme bereitete. Es folgen Aufwärm- und Stabilisationsübungen für den ganzen Körper.

12.30 Uhr: Das Turnier gewährt 30 Minuten Rasentraining am Matchtag. Neuling Stricker kann nicht wie die grossen Stars auf der Anlage bleiben, er wird mit dem Shuttle zu einem Aussenplatz gebracht.

14.00 Uhr: Der Zmittag steht an. Reis und Poulet. Auf Orangensaft oder Ähnliches wird verzichtet. Alles, was Säure enthält, könnte auf den Magen schlagen.

15.00 Uhr: Die Wartezeit beginnt. Stricker – Tiafoe ist der vierte Match auf Court 12. Der Youngster vertreibt sich die Zeit, schreibt mit seinen Liebsten. Mit Freundin Aline, Schwester Michèle oder den Eltern Sabine und Stephan – letztere drei sind zwar vor Ort, lassen «Domi» aber in Ruhe. Der Puls bei der Familie? «Noch ruhig», meint der Papa.

16.00 Uhr: Matchbesprechung mit Coach «Didi». Welche Taktik? Wo ist Tiafoe verwundbar?

16.15 Uhr: Die Spannung steigt – Stricker ist bald dran. Das ganze Team trifft sich, auch die Eltern sind dabei. Gruppenumarmung. «Wie immer vor Spielen, bei denen wir dabei sind», sagt Stephan Stricker.

16.52 Uhr: Stricker betritt den Court 12, zusammen mit Gegner Tiafoe. Der Glücksbringer – ein kleiner Tennisschläger als Halskette – ist montiert.

17.01 Uhr: Los gehts. Der bislang grösste Match in der Karriere von Dominic Stricker läuft. Gewinnt er gegen den Top-10-Spieler, wäre das nicht nur eine Wimbledon-Sensation, er stünde auch erstmals in den Top 100.

17.49 Uhr: Tiebreak im ersten Durchgang. Stricker vergibt den ersten von vier Satzbällen.

17.59 Uhr: 13:11 im Tiebreak. Tiafoe lenkt die Partie in seine Bahnen – vor den Augen von Landsfrau und Ex-Ski-Star Lindsey Vonn, die extra gekommen ist, um ihn anzufeuern.

18:30 Uhr: 4:6 im zweiten Satz. Coach Kindlmann ruft rein: «Sei mutig!» Auf der Tribüne sind derweil deutlich mehr für den US-Amerikaner: «Give it to him, boy!», ruft einer in Richtung Tiafoe.

19.04 Uhr: Aus, vorbei. Stricker verliert Satz drei mit 2:6. Seine Box steht auf, spendet Trost-Applaus. Tiafoe schreit seine Freude hinaus. Vonn jubelt mit.

19.15 Uhr: Der erste Schock ist verdaut. «Schade», sagt Mutter Sabine, «aber es war trotzdem eine gute Erfahrung für Domi.»

19.30 Uhr: Offizieller Medientermin vor der Schweizer Presse. «Der erste Satz war bitter, der hätte viel ändern können», sagt Stricker, «aber es gibt mir viel, dass wir phasenweise auf Augenhöhe waren.»

20.00 Uhr: Erst der Besuch beim Physiotherapeuten, dann die Belohnung für fünf Matches in elf Tagen: Ein Abendessen mit der ganzen Crew. Wo? Stricker meint schmunzelnd: «Das schauen wir noch. Vielleicht sehe ich ja noch etwas von London.» Allerdings: Bereits um 8.30 Uhr am nächsten Tag ist der Flug nach Zürich geplant.

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