Es hat nicht sollen sein. Belinda Bencic verpasst es, ihre Aufholjagd vom Montag zu krönen, und verliert gegen Wang Qiang 4:6, 7:5, 2:6. Somit bleibt ihre Ausbeute bei Wimbledon eher bescheiden. Wie 2021 muss die Ostschweizerin bereits in der ersten Runde abreisen.
Nachdem sie ein 1:5 im zweiten Satz gedreht hat, ist die Hoffnung gross, dass Bencic die Start-Hürde überwinden kann. Eine knappe halbe Stunde später ist ihr Aus besiegelt. «Gestern war es super, wie ich aufgeholt und den Satz noch gewonnen habe. Das war sicher eine riesige Willensleistung. Heute war es aber umso schlechter», fasst Bencic nach dem Spiel zusammen.
Am Ende des zweiten Satzes wirkte es am Montag noch, als habe die 25-Jährige Beschwerden im linken Bein. Im Entscheidungssatz ist es wieder fest einbandagiert. Laut Bencic habe die Niederlage «keinen Zusammenhang mit dem Fuss».
«Mühe, einen Ball ins Feld zu spielen»
Zu dem Punkt, an dem die Physis zum Tragen gekommen wäre, ist es in der kurzen Zeit gar nicht erst gekommen. Bencic kann die nötige Leistung nicht auf den Court bringen. «Es war vom Tennis her sehr schlecht. Ich habe mich auf dem Platz nicht gut gefühlt, hatte Mühe, einen Ball ins Feld zu spielen.»
Zwischen Bencic und Wimbledon klappt es also wieder nicht. Solch sportlich bittere Fakten rücken aber bei der Olympiasiegerin in den Hintergrund, wenn sie über ihre gute Freundin und French-Open-Doppelpartnerin Anhelina Kalinina (WTA 34) spricht. Die Ukrainerin hat am Montag ihre Auftaktpartie gegen Anna Bondar gewonnen. Im Anschluss hat sie über ihre traurige Situation wegen des russischen Angriffskriegs gesprochen.
Seit Februar lebt die 25-Jährige quasi aus dem Koffer, reist von Turnier zu Turnier. In ihrer Wohnung in Kiew leben aktuell ihre Eltern. «Es wurde ihr Haus angegriffen. Es sind riesige Löcher im Haus – riesige Löcher. Gott sei Dank sind sie am Leben und in Sicherheit.» Die Heimat ihrer Eltern, Irpin im Westen Kiews, wurde von der russischen Armee komplett zerstört.
Kalinina spielt für die Familie
Trotz aller Sorgen gibts für Kalinina aktuell keine Alternative, als weiterzuspielen. «Es ist klar, dass es schwer ist, sich zu konzentrieren. Je mehr ich gewinne, desto mehr Geld habe ich momentan. Ich helfe nicht nur meiner Familie, ich helfe auch anderen Familien und anderen Menschen. Es ist wirklich kein Druck. Es ist ein Privileg, hier zu spielen.»
Kalinina imponiert Bencic. «Ich kann mir nicht vorstellen, wie sie mit einem klaren Kopf Tennis spielen kann. Aber sie braucht diese Motivation. Sie muss jetzt ihre Familie unterstützen. Es ist sehr schwer und tut mir sehr leid für sie.» Die Olympiasiegerin versucht zu helfen, wo es geht. Auch wenn es nur darum geht, die Tasche ihrer Freundin mit nach Hause zu nehmen. «Sie kann ja nirgends hingehen.»
Das Problem betrifft natürlich nicht nur Kalinina, sondern alle Ukrainer. Bencic: «Man kann sich da nicht einmal reinversetzen. Es ist unglaublich, dass es heute noch so Sachen gibt.».