Der Henman Hill ist rappelvoll. Die Menge jubelt Cameron Norrie zu, als er den Einzug in den Wimbledon-Halbfinal perfekt macht. Der Hügel vor dem Court No. 1 mit der riesigen Leinwand wird häufig mit anderen Spitznamen versehen wie Murray Mound oder Raducanu Rise – zu Ehren der britischen Tennis-Stars. Der nächste Name ist bereits gefunden: Norrie Knoll (deutsch: Hügelkuppe).
Der 26-Jährige lässt die Insel träumen. Seitdem Murray 2016 zuletzt Wimbledon gewonnen hatte, gabs keinen britischen Grand-Slam-Sieger mehr. Dass Norrie diese Hoffnungen schüren würde, zeichnete sich zu Beginn seiner College-Zeit wahrlich nicht ab.
Norrie kommt in Johannesburg, Südafrika zur Welt. Als Baby siedelt er mit seinen schottisch-walisischen Eltern nach Neuseeland über, wo er aufwächst und mit Tennis anfängt. Lange spielt er auch unter der neuseeländischen Flagge, bevor er für Grossbritannien antritt. Dank eines Tennisstipendiums verschlägts ihn 2013 an die Texas Christian University in den USA. Doch statt des Sports rückt das frivole Studentenleben in den Mittelpunkt.
«Amüsierte mich sehr»
«Ich ging mehr aus, als ich wahrscheinlich hätte sollen – wie ein typischer Student an der TCU – und amüsierte mich sehr», sagt er. Doch eine Party-Nacht soll sich als folgenschwer entpuppen.
In seinem zweiten Studienjahr baut er einen Unfall und schrottet dabei sein Moped, nachdem er nach eigener Aussage «eine lange Nacht hinter mir und ein paar zu viel hatte». Er zieht eine Gehirnerschütterung davon, muss sich im Gesicht nähen lassen. In der Folge verpasst er ein Turnier, sein Trainer ist logischerweise «not amused».
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Der Unfall rüttelt Norrie wach. «Danach haben mich die Trainer wirklich in Schwung gebracht, und ich war definitiv professioneller.» Das zeigt sich auch auf dem Court. Der Brite avanciert zum besten Collegespieler des Landes. Kurz vor seinem Soziologieabschluss beginnt er seine Profikarriere.
Durchbruch 2021
Seitdem arbeitet er sich langsam aber stetig nach vorne. 2021 erlebt er sein Durchbruchsjahr. Er gewinnt seine ersten beiden Titel, schafft es in allen Grand Slams ausser den US Open in die dritte Runde und avanciert zur britischen Nummer eins. In der Weltrangliste stürmt er bis Platz zwölf vor.
Am Freitag tritt er wohl die bisher grösste Herausforderung seines Lebens an. Gegen Novak Djokovic gehts um den Einzug in den Wimbledon-Final. Natürlich fiebert der Norrie Knoll dann mit seinem Lokalmatadoren.