Eurosport-Moderator Matthias Stach kann es nicht lassen, als er am Montagmorgen um 8.41 Uhr erstmals wieder gemeinsam mit seinem langjährigen Experten-Kollegen Boris Becker vor der Kamera steht. Er kreiert zum Scherz das Wortspiel «Come-Becker» – und macht damit den Anfang der Melbourne-Berichterstattung, in der auf Eurosport ganz offen mit der jüngsten Vergangenheit des TV-Kommentators umgegangen wird.
Erst vor einem Monat wurde Becker aus dem britischen Huntercombe-Gefängnis in Oxfordshire entlassen. Nach 231 Tagen hintern Gittern, die er wegen Insolvenzverschleppung absitzen musste. Eine Sonderregelung für ausländische Häftlinge, mit der Platz in den überfüllten britischen Gefängnissen geschaffen werden soll, hat seine Zeit im Knast vorzeitig beendet – und die Rückkehr zu seinem alten Job ermöglicht.
Becker, der im Dezember noch abgemagert wirkte, legt mittlerweile einen ganz anderen Auftritt hin. Vitaler, mit frischem Kurzhaarschnitt. Er scherzt und lacht viel bei seinem Comeback. Während des Matches am Mittwoch zwischen Stefanos Tsitsipas und Rinky Hijikata (6:3, 6:0, 6:2) spielt er auf die schrillen, bunten Outfits am diesjährigen Turnier an, mit denen auch Belinda Bencic und Frances Tiafoe schon zu reden gaben: «Ich verstehe die Hose von Tsitsipas nicht. Ich würde so etwas niemals anziehen.» Typisch Becker. Klar, direkt, gerne auch mit einer Prise Schalk.
Der 55-Jährige spricht und analysiert, als wäre er nie weg gewesen, doch er bemüht sich auch gar nicht erst, den Grund für seine lange Abwesenheit zu verschweigen. Beim Live-Interview mit Alexander Zvererv, der nach monatelanger Verletzungspause ebenfalls auf die grosse Tennis-Bühne zurückgekehrt ist, witzelt er über sich selbst, als er meint: «Zuerst einmal ist es schön, dich wieder auf dem Platz zu sehen. Wir waren ja beide länger weg. Wenn auch aus unterschiedlichen Gründen.»
«Ich glaube, das Gefängnis war gut für mich»
Im Exklusivinterview auf Sat1 kurz vor Weihnachten sagte Becker: «Ich glaube, eine zweite Chance bekommen zu haben. Ich glaube, das Gefängnis war gut für mich.» Falsche Freunde, falsche Entscheidungen. Er habe über Jahre hinweg Fehler begangen. Jetzt gibt sich Becker geläutert – und wirkt auch so. Er strahlt eine neue Lockerheit aus. Und viel Lust auf seine Leidenschaft Tennis.
Doch einen Makel gibts bei seinem Comeback: Weil gemäss deutschen Medien wegen seiner Haftstrafe ein Visum wohl nur sehr schwer zu bekommen gewesen wäre, weilt Becker aktuell nicht in Australien. Kommentieren muss er die Spiele aus Unterföhring bei München.