Zweimal leuchten die Augen von Simona Waltert (22), als sie sich Zeit nimmt, um über ihre gerade so verrückten Tage in Roland Garros zu sprechen.
Natürlich: Das erste Mal, als sie von ihrer Hauptfeld-Premiere an einem Grand-Slam-Turnier erzählt. Erst hat sie sich an den French Open durch die Qualifikation gekämpft, dann liess sie auch noch den Startsieg über die gleichaltrige US-Amerikanerin Elizabeth Mandlik folgen («das fühlt sich mega gut an»). Erst in der 2. Runde muss sich Waltert dann der Italienerin Elisabetta Cocciaretto geschlagen geben.
Das zweite Mal strahlt «Simi» über beide Ohren, als es um ihre Heimat geht. Es ist das Bündnerland, das ihr die Grundkraft für solche Exploits wie jetzt in Paris verleihe – auch wenn sie mittlerweile seltener zu Hause in Chur ist.
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«Nur schon, wenn ich die Berge sehe, gehts mir gut. Sie werden immer ein Teil von mir sein. Bergluft ist ganz anders.» Das sind die Worte einer jungen Frau, die aufgrund ihrer Leidenschaft Tennis an der französischen Mittelmeerküste in Cannes lebt – und dort in der Akademie des früheren Profis Jean-René Lisnard (43) trainiert.
Tiktok? «Gar nicht»
An ihrer Seite ist der Waadtländer Stéphane Bohli (39), der sie – mit einem Unterbruch – seit längerer Zeit als Coach begleitet. Ansonsten aber ist die Karriere von Waltert grösstenteils eine One-Woman-Show. Eine Webseite hat sie überraschenderweise keine. Den Instagram-Account betreut die Weltnummer 128 noch selbst: «Das ist bei meiner Reichweite ja noch machbar.» Waltert vereint auf ihrem Profil etwas mehr als 5700 Follower.
Obwohl sie zur Generation Z gehört, nimmt Social Media bei ihr nicht so viel Platz ein. Tiktok? «Gar nicht», sagt sie schulterzuckend, um gleich anzufügen: «Ich bin keine, die eine auf Influencerin macht. Ich konsumiere alles in Massen. Ich möchte mich lieber auf den Sport konzentrieren.» Sie würde sich selbst als «professionell, diszipliniert und fröhlich» beschreiben. Als eine, die «viel lacht».
Wäre sie mit 15 nicht mit ihrer Mutter nach Biel gezogen, um bei Swiss Tennis alles auf eine Karte zu setzen, hätte sie wohl auch einen Beruf im medizinischen Sektor gewählt. Wie ihr Vater, der in Chur eine Arztpraxis führt. Oder ihre Schwester, die ein Medizinstudium macht.
Nun wartet die Nummer 44 der Welt
Doch Walterts Realität sieht anders aus. Dieser Tage wird sie in Roland Garros für ihren grossen Aufwand der letzten Jahre belohnt. Nach dem Out von Belinda Bencic (26) und Co. ist sie zusammen mit Stan Wawrinka (38) die einzige, die noch das Schweizer Fähnchen in der zweiten Runde hochhält. Erst die deutlich besser klassierte Cocciaretto (WTA 44) kann ihren tollen Lauf schliesslich stoppen.
Blick-Tennisexperte Heinz Günthardt (64) sagt über Waltert: «Sie ist sehr schnellkräftig und kann alle Schläge enorm beschleunigen.» Das Problem sei bei ihr allerdings oft die Dosierung. Stimmt diese, könne sie «für jede Gegnerin äusserst gefährlich werden».
Kraft im Bündnerland tanken
In den letzten Jahren war Waltert sechs Mal in der Quali für ein Grand-Slam-Turnier gescheitert. Sie bewegte sich auf der Schwelle zwischen ITF- und WTA-Turnieren und war im letzten November Teil der Schweizer Equipe, die in Glasgow den Billie-Jean-King-Cup gewann.
Während der Corona-Pandemie nutzte sie die viele freie Zeit, um ihren Körper zu stählen. «Kraft habe ich jetzt», sagt sie lachend. Und sonst gäbe ja immer noch die Möglichkeit, kurz heim ins Bündnerland zu fahren. Um Energie für den nächsten Coup zu tanken.