Es ist für viele das Sportfoto vom Jahr 2022: Roger Federer und Rafael Nadal sitzen beide schluchzend auf der Spielerbank beim Laver-Cup-Abschied des Maestros und halten Händchen. Eingefangen hat diesen Moment die britische Fotografin Ella Ling. Dass das Bild auf solche Begeisterung stösst, hätte sie aber zunächst nicht gedacht.
«Es war völlig surreal», sagt Ling im neuen Buch «Inspiration Federer» des Schweizer Journalisten Simon Graf. Das hätte sie in einer Million Jahre nicht erwartet. Zum Schnappschuss ihres Lebens kam sie ohnehin nur, nachdem sie die Position wechseln musste. Eine TV-Kamera versperrte ihr zunächst die Sicht.
Es war nur ein Wimpernschlag
Dies stellte sich schlussendlich als Segen heraus, Ling hat eine gute Sicht auf die beiden und fängt den Moment ein, der viel kürzer war, als man denken mag. «Der Händedruck sieht so aus, als ob sie sich länger bei der Hand gehalten hätten. Es war nur ein Wimpernschlag, aber wenn du den Moment festhalten kannst, ist das unbezahlbar.»
Das Bild ging um die Welt. Im Internet wurde es fleissig geteilt, in den Zeitungen und Online-Berichten werden damit die grossen Emotionen Federers und Nadals unterstrichen. Und auch Ling ist plötzlich als Gesprächspartnerin gefragt, wird vom US-Sender CNN interviewt. Sie sei aber besser im Fotografieren, als darüber zu reden.
Jahrelange Tennis-Fotografin
Seit 2005 reist Ling als freiberufliche Fotografin mit der Tennis-Karawane mit. 2018 war sie eine der wenigen Personen, die vom bis dato geheimen Ausrüster-Wechsel Federers von Nike zu Uniqlo wussten. Sie war es, die das erste Fotoshooting in seiner neuen Arbeitskleidung machte.
Das ikonische Foto vom Laver Cup ist wohl aber der Schnappschuss ihres Lebens. Was macht das Bild für Ling so stark? «Wie die beiden da sassen, so völlig ungeschminkt und unverhüllt – das ist ein echtes Bild. Zwei starke, maskuline Männer. Im Allgemeinen weinen Männer ja nicht. Sie sollen tough sein. Diese beiden grossen Rivalen und gleichzeitig wunderbaren Freunde aber zeigen der Gesellschaft, dass es in Ordung ist, zu weinen. Das ist eine schöne Botschaft.»