Alexander Zverev (27) ist aktuell womöglich das heisseste Eisen im Männerfeld der French Open. Während andere Mitfavoriten mit Körper oder Form kämpfen, befindet sich die deutsche Weltnummer vier in blendender Verfassung. Zverev ist als Rom-Sieger nach Paris gereist. Und im Wissen, dass sein Spiel auf Sand – insbesondere sein zuletzt unwiderstehlicher Service – voll aufgeht.
Und doch vermag vor seinem Auftaktspiel in Roland Garros keine Euphorie um seine Person aufkommen. Das hat zwei Gründe: Das Los bescherte dem Hamburger für Runde eins ausgerechnet Rafael Nadal (37). Der spanische Superstar, der in Paris sagenhafte 14 Mal den Titel holte, ist aufgrund seiner Verletzungspause im letzten Jahr nur noch die Nummer 275 der Welt und war deswegen auf eine Wildcard angewiesen.
Vor dem Hintergrund, dass es Nadals letzter Auftritt an der Porte d'Auteuil sein könnte, sind alle Augen auf ihn gerichtet – und die Sympathien auf dem Court Philippe-Chatrier klar verteilt. Das wiederum hat auch mit dem zweiten Grund für die Zurückhaltung um Zverev zu tun: Der diesjährige Australian-Open-Halbfinalist muss sich ab nächstem Freitag vor dem Amtsgericht Tiergarten in Berlin verantworten. Hintergrund sind Vorwürfe häuslicher Gewalt, die seine Ex-Freundin Brenda Patea zur Anklage brachte. Im letzten Oktober war er deswegen zu einer Geldstrafe von 450’000 Euro verdonnert worden. Doch weil Zverev, für den bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung die Unschuldsvermutung gilt, die Vorwürfe «komplett» zurückwies und Berufung einlegte, kommt es nun zu einem Prozess.
Prozess-Niederlage? «Keine Chance»
Zverev hat in Paris erneut betont, sich in den nächsten Tagen nur auf seinen Traum vom ersten Grand-Slam-Titel zu konzentrieren. Vor Gericht lässt er sich von einem Anwalt vertreten, weil ein persönliches Erscheinen nicht zwingend ist. Überhaupt sehe er dem Prozess gelassen entgegen. Es gebe «keine Chance», dass er ihn verliere: «Ich glaube an die deutsche Justiz und daran, dass ich im Recht bin. Ich weiss, was ich getan habe und was nicht.» Zverev hatte früher bereits die Vermutung durchblicken lassen, dass es der gegnerischen Partei wohl um Geld gehen würde. Mit Ex-Partnerin Patea hat er eine gemeinsame Tochter.
Allerdings sieht sich der Olympiasieger von 2021 nicht das erste Mal mit Gewaltvorwürfen konfrontiert. Olga Scharipowa, ebenfalls eine Ex-Partnerin, hatte von ähnlichen Erlebnissen berichtet. Aber Zverev erwirkte damals eine einstweilige Verfügung gegen die Russin, er bezeichnete die Beschuldigungen als «verleumderisch und falsch».
Nun wollte es das Los von Roland Garros, dass ausgerechnet Zverev zum Bösewicht werden könnte, der für die mögliche French-Open-Dernière von Rekordchampion und Ikone Nadal sorgen wird. Eine Rolle, die für jeden aus dem Teilnehmerfeld undankbar gewesen wäre – doch die im eingetroffenen Fall für Zverev nun gleich doppelten Gegenwind bedeutet.