Die grosse Empörung nach seiner Kosovo-Botschaft hat Novak Djokovic unmittelbar nach seinem Paris-Auftaktsieg über Aleksandar Kovacevic (6:3, 6:2, 7:6) mit voller Härte getroffen. Schon an der anschliessenden Pressekonferenz gibt der 36-jährige Serbe zu, vom entfachten Wirbel zu wissen. Die Worte «Kosovo ist das Herz Serbiens – hört auf mit der Gewalt», die er auf die Kamera-Linse schrieb, haben dazu geführt, dass einige Fans seine Disqualifikation forderten.
«Ich weiss, es gibt auf Social Media viel Kritik. Ich weiss nicht, ob ich bestraft werde. Aber ich würde es wieder tun», sagt Djokovic über seine Anspielung auf den Kosovo-Konflikt, bei dem zuletzt bei Zusammenstössen im serbisch bewohnten Norden des Kosovos zahlreiche Soldaten der Nato-geführten Kosovo-Schutztruppe Kfor verletzt wurden.
Verstoss gegen Ethik-Charta
Ob Djokovic tatsächlich Konsequenzen fürchten muss, ist noch offen. Die Veranstalter geben zu verstehen, der 22-fache Grand-Slam-Sieger bewege sich hier in einem Graubereich. Djokovic selbst sagte gegenüber serbischen Medien, er habe nicht die Absicht, eine politische Debatte loszutreten. Doch was ist sein Statement dann, wenn nicht politisch?
Vonseiten des französischen Tennisverbands (FFT), der die French Open organisiert, heisst es gegenüber Reuters, es gebe «keine offiziellen Grand-Slam-Richtlinien zu dem, was ein Spieler sagen darf oder nicht». Und weiter: «Die FFT wird in dieser Angelegenheit nicht weiter Stellung beziehen.»
Allerdings: Die Ethik-Charta der FFT könnte Djokovic je nach Auslegung doch noch in Bedrängnis bringen – zumindest in der Theorie. Denn darin ist festgehalten, dass Spieler die «moralische Pflicht» haben, «jede Form von Gewalt abzulehnen». Es ist ihnen also untersagt, politische oder religiöse Ansichten demonstrativ zur Schau zu stellen.
«Werden mit ihm reden»
Das Statement von Djokovic ist demnach auf jeden Fall ein Übertritt – wobei es wohl einer sein wird, der ihn nicht allzu teuer zu stehen kommt. Zumal die harten Richtlinien fehlen und sich die Veranstalter davor hüten werden, aus dieser Sache öffentlich einen grossen Skandal zu machen. Nach der verletzungsbedingten Absage von French-Open-Rekordsieger Rafael Nadal (36) ist man in Roland Garros angewiesen auf Superstar-Zugpferde wie Djokovic. Den French-Open-Sieger von 2016 und 2021 zu disqualifizieren, ist wohl kein Thema.
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Dennoch ist das Verhalten von Djokovic trotz seines Aufrufs für Frieden heikel – er wird nun im Verlaufe des Turniers genauer unter Beobachtung stehen. Turnierdirektorin und Ex-Top-Spielerin Amélie Mauresmo (43) sagte im französischen Fernsehen: «Wir werden nichts überstürzen. Aber wir werden die Sache anschauen und mit ihm reden, was er wirklich damit sagen wollte.»
Djokovic hatte sich zuvor lange nicht mehr zum Kosovo-Konflikt geäussert. Es ist das erste Mal seit 2008. Damals sagte er nach seinem Triumph an den Australian Open: «Wir wollen der Welt zeigen, dass wir bereit sind, zu verteidigen, was uns ist. Wir alle wissen, dass serbische Geschichte im Kosovo geschrieben wurde. Kosovo ist Serbien.»
Zuletzt meinte er in einem Interview mit dem «Corriere della Sera», er würde gerne in den Kosovo zurückkehren, um seine Kinder dort zu taufen. Doch wie verhärtet die Fronten sind, zeigt sich in der Reaktion des kosovarischen Sportministers Hajrulla Ceku (39), der auf Twitter zum verlinkten Artikel schrieb: «Keine Impfung, kein Eintritt.»