Mann der Stunde, Mann der verrückten Geschichten. Daniil Medwedew ist im Schatten der grossen Schlagzeilen um die Superstars Nadal, Djokovic und Alcaraz zur ganz heissen Akte dieser Saison herangewachsen. Der temperamentvolle Russe sorgt durch seine Auftritte nicht nur regelmässig für Aufregung und Eklats, er liefert durch seine Siege auch unglaubliche Zahlen.
20 Titel in 20 verschiedenen Städten – von seinem ersten 2018 in Sydney bis zum jüngsten vor ein paar Tagen in Rom. Dieses Kunststück hat vor dem 26-Jährigen in der Open Era noch keiner geschafft. Dass er in der italienischen Hauptstadt seinen bereits fünften (!) Turniersieg im Jahr 2023 gefeiert hat, ist ausserdem als fettes Ausrufezeichen zu werten.
Denn: Medwedew und Sandplatz, das war bislang alles andere als eine Liebesgeschichte. Im Gegenteil: Der US-Open-Sieger von 2021 macht keinen Hehl daraus, dass er die Unterlage «eigentlich hasst». Nun sei wenigstens eine «Freundschaft» daraus entstanden, meinte er lachend in Rom.
Er hat die Aufmerksamkeit auf seiner Seite
Sein erster Titel auf Sand, er ist im Zuge seines Sieg-Streifzugs in diesem Frühjahr (Turniersiege in Rotterdam, Doha, Dubai, Miami und eben in Rom) als klare Kampfansage vor den am Sonntag beginnenden French Open anzusehen. Der schlaksige Moskauer mit dem unkonventionellen, unberechenbaren Spielstil ist neu wieder die Nummer zwei der Welt. Und er meldet in Abwesenheit von Sandkönig Nadal plötzlich auch Ansprüche auf den Thron von Roland Garros an.
In Sachen Beliebtheit vermag Medwedew einem Nadal – gerade in Paris – bei weitem nicht das Wasser zu reichen. Dennoch kommt ihm enorm viel Aufmerksamkeit zu. Einerseits, weil er wegen seiner Eloquenz, aber auch wegen seiner Klartext-Interviews ein gern gesehener Gesprächspartner bei TV- und Podcast-Stationen ist.
«Werde so langsam pinkeln, wie dieser Platz ist»
Und andererseits, weil mit ihm auf dem Platz immer wieder die Pferde durchgehen und er regelmässig neue Räuber-Geschichten auftischt. Sei es mit allerlei Mätzchen während Partien, wie etwa in Monte Carlo gegen Alexander Zverev (26), als er beim Gang zu seiner Bank einfach den einen Netzpfosten ausriss, um den Gegner aus dem Flow zu bringen (woraufhin ihn Zverev als «einen der unfairsten Spieler» bezeichnete).
Oder wie in Indian Wells, als er sich über den aus seiner Sicht nicht genügend harten Hartplatz aufregte und vor einer Toiletten-Pause meinte: «Geben Sie mir 25 Minuten. Ich werde so langsam pinkeln, wie dieser Platz ist.»
«Der Junge ist verrückt»
Sein Rüpel-Image erhielt er schon früh in der Karriere, mit handfesten Skandalen. Wie als er in Wimbledon der Hauptschiedsrichterin Münzen vor den Stuhl warf und ihr damit indirekt Bestechlichkeit vorwarf. Oder als er an den US Open den Fans den Mittelfinger zeigte.
Selbst der ebenfalls als «Bad Boy» verschriene Nick Kyrgios (28) tweetete einst: «Der Junge ist verrückt.»
Medwedew startet Charmeoffensive
Medwedew selbst zeigt sich nach seinen Eskapaden oft reuig und einsichtig. Und allen Eklats zum Trotz könnte seine Reputation tatsächlich schlechter sein. Es ist mittlerweile nicht mehr nur ein kleiner Teil der Fans, die Medwedew mehr unterhaltsam als nervig finden. Für manche auf Social Media hat er längst Kultstatus inne.
Auch in Rom legte er sich zuerst mit den Zuschauern an, um hinterher eine Charmeoffensive zu starten: «Manchmal mache ich euch wütend, manchmal macht ihr mich wütend. Manchmal mache ich euch glücklich, manchmal macht ihr mich glücklich. Heute bin ich echt happy. Und ich hoffe, ihr seid es auch.»
Es wäre keine Überraschung, würde Medwedew nun in Roland Garros nicht nur erfolgreiches Tennis spielen, sondern auch für Gesprächsstoff sorgen.