Es geschieht am gleichen Tag. Novak Djokovic (33) scheitert an Dominic Thiem, Rafael Nadal (34) an Daniil Medwedew – die zwei Altbewährten verlieren gegen jüngere Herausforderer in den prestigeträchtigen Halbfinals der ATP Finals von London. Gegen die beiden Teilnehmer, die während der ganzen Woche am klarsten dominiert haben.
Ist das die Wachablösung der «Jungen»?
In einem hochklassigen Endspiel behält der Russe das bessere Ende für sich. Medwedew dreht die Partie nach Satzrückstand zu seinem Gunsten und feiert den bisher grössten Erfolg seiner Karriere. Ist dieser Final gleichbedeutend mit einer Wachablösung der Jungen?
So jung ist Thiem allerdings gar nicht mehr. Der 27-jährige Österreicher klopft schon seit längerem an der absoluten Spitze an. Schon beim vergangenen Saisonfinale schlug er den Serben, insgesamt gewann er nun bereits fünf von zwölf Duellen, darunter auch die letztjährige Halbfinal-Partie auf Sand in Roland Garros. Im letzten Australian Open-Final zwang er Djokovic über fünf harte Sätze. Eine Überraschung ist Thiems jüngster Sieg also nicht.
Erst recht, weil ihm sein Coup beim US Open – an dem der disqualifizierte «Djoker» zwar nicht beteiligt war – die fehlende Portion Selbstvertrauen geschenkt hat. Das wohl letzte Quäntchen, das er für seinen Eintritt in die himmlischen Tennis-Sphären brauchte. In London sichtbar geworden durch die mentale Meisterleistung, mit der er den Branchenprimus knackte. Thiem schaffte es, gegen das serbische Psycho-Genie ein 0:4 im entscheidenden Tie-Break aufzuholen und die Nerven in Schach zu halten, obwohl er sechs Matchbälle zum Abschliessen brauchte.
Medwedew muss fortan Konstanz zeigen
Der Lichtenwörther hat seine US-Open-Stärke damit definitiv bestätigt, gehört spätestens jetzt zu den Big-Players, die auf der Tour den Ton angeben. Und Medwedew? Der frisch gekürte Finals-Champion ist 24 Jahre jung. Er bezwang dabei den 20-fachen Grand-Slam-Sieger Nadal zum ersten Mal und schaffte es dabei mit Bravour, seine Qualitäten zu hundert Prozent abzurufen. Auch er blieb mental stark, als der Spanier in Satz 2 schon zum Matchgewinn servierte. Aber Nadal hat das Jahresendturnier in der schnellen Hartplatz-Arena noch nie gewonnen. Medwedew hat also noch mehr zu beweisen. Er muss fortan Konstanz zeigen, noch einige Coups mehr landen, um sich einen Platz im Himmelsreich zu reservieren.
Mit Thiem und Medwedew sind mit den souveränsten Leistungen über die letzten sieben Tage die verdienten Finalisten. Aber sind die letzten Finals in London deshalb als Wachablösung zu verstehen? Nein. Die Neuen rücken heran, in Thiems Fall sogar auf. Aber die Alten machen den Weg noch nicht frei. Keine Frage, dass Djokovic, der das Jahr als Nummer 1 beendet, erneut als Top-Favorit an die Australian Open reisen wird. Und keine Frage, dass Nadal bei den nächsten French Open wieder der Mann ist, den es zu schlagen gilt.