Das sagt Martina Hingis zu ihrem runden Geburtstag
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Tennis-Wunderkind ist 40:Das sagt Martina Hingis zu ihrem runden Geburtstag

Das Wunderkind Martina Hingis wird 40 Jahre alt
«Ein Hausfraueli werde ich nie»

Heute feiert Martina Hingis ihren 40. Geburtstag. Mit BLICK spricht sie über ihre herausragende Karriere und die Zukunft mit ihrer Familie.
Publiziert: 30.09.2020 um 08:18 Uhr
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Aktualisiert: 02.10.2020 um 14:31 Uhr
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Martina Hingis steht mit beiden Beinen im Leben.
Foto: David Biedert /Schweizer Illustrierte
Felix Bingesser

Mit zwei Jahren spielte sie das erste Mal Tennis. Mit zwölf Jahren gewann sie in Paris als jüngste Spielerin der Geschichte ein Grand-Slam-Turnier bei den Juniorinnen. Es folgte eine grandiose Karriere mit fast vier Jahren als Nummer 1 der Weltrangliste. Danach eine sportliche und private Achterbahnfahrt mit zwei Rücktritten und zwei Comebacks. Die wilden Jahre der Martina Hingis.

Am Mittwoch wird das einstige Wunderkind 40 Jahre alt. Die wohl grösste Sportlerin der Schweizer Geschichte blickt zurück auf 40 turbulente Jahre. Sie sitzt in ihrem Appartement im Ressort Quellenhof in Bad Ragaz. Nebenan schläft Tochter Lia seit drei Stunden. «Ein wunderbares Kind, oder?», lacht Hingis.

Ein rauschendes Fest ist nicht geplant. Sie wird an ihrem Geburtstag ausreiten, spielt vielleicht eine Runde Golf und macht danach mit ihrem Mann Harald und der Familie ein Grillfest in ihrem neuen Pferdestall in Bad Ragaz. Diesen Traum hat sie sich verwirklicht, obwohl sie mittlerweile in Zug und nicht mehr in der Ostschweiz daheim ist.

Hingis erzählt auch, dass Corona auch ihr einen Strich durch die Rechnung gemacht hat. «Sonst wäre ich jetzt in Paris und würde an der Seite von Mary Pierce das Legendenturnier bei den French Open spielen.»

Martina Hingis, Ihre Tochter Lia wird im Februar zwei Jahre alt. Sollte sie in Ihre Fussstapfen treten, müsste sie bald mal den Tennisschläger in die Hand nehmen.
Also drei Schläger hat sie schon, das hatte ich in ihrem Alter noch nicht. Ab und zu spielt sie mit denen. Sie hantiert aber auch mit dem Pingpong-Schläger und fuchtelt damit regelmässig herum. Ob sie Talent hat oder nicht kann ich Ihnen aber noch nicht sagen (lacht). Ich möchte einfach, dass sie ein gesundes, glückliches und sportliches Leben führen kann.

Was geht Ihnen heute durch den Kopf, wenn Sie den Begriff «Wunderkind» hören oder lesen?
Natürlich denke ich da an meine Jugend, das ist klar. Ich habe damals ja schon sehr früh jeden Tag fast sechs Stunden Tennis gespielt. Als Druck oder Zwang habe ich das aber nie empfunden. Meine Mutter hat eine Gruppe von Talenten trainiert, ich war mit Abstand die Jüngste. Wir waren den ganzen Tag auf der Anlage, das war unser Zuhause. Ich habe schöne Erinnerungen an diese Jahre. Nach 16 Jahren war ich jetzt mit meinem Mann und unserer Tochter mal wieder in Tschechien. Ich wollte meinem Mann zeigen, wo alles angefangen hat.

Mit acht Jahren kamen Sie mit Ihrer Mutter in die Ostschweiz. Was war da der erste Eindruck von der neuen Heimat?
Das ist kein Wort verstanden habe. In der Schule hatte ich am liebsten Mathematik. Da musste ich nicht reden. Und da hatte ich schon schnell gute Noten. Nach sechs Monaten habe ich Deutsch gesprochen. Und auch in den anderen Fächern keine schlechte Figur gemacht. Ich wäre also auch ohne das Tennis nicht verarmt.

Haben Sie eigentlich Kontakt zu ihrem leiblichen Vater?
Das hatte ich immer wieder. Er lebt jetzt in der Slowakei. Im nächsten Jahr fahren wir wohl zu seinem 70. Geburtstag.

Jetzt wird das einstige Wunderkind Martina Hingis auch schon 40. Was bedeutet das?
Nicht viel. Geburtstage werden überbewertet. Weihnachten empfinde ich als viel intensiver. Aber was die Zahl 40 mit mir macht, kann ich ihnen nicht sagen. Ich bin noch nie 40 geworden. Aber ich gehe davon aus, dass ich morgen noch derselbe Mensch bin wie heute. Aber klar: Als meine Mutter 40 geworden ist, habe ich für mich so gedacht: «Jesses Gott, ist die schon alt.»

Serena Williams und Roger Federer sind nur ein Jahr jünger als Sie und sind immer noch auf der Tour. Sie sind bereits mit 23 Jahren erstmals zurückgetreten.
Serena ist unglaublich, die hat wohl auch andere Gene als ich. Und gut, die haut halt in jedem Satz ein paar Asse rein. Auch was Roger macht ist natürlich unglaublich. Ich könnte das rein körperlich nicht mehr. Klar, ich war insgesamt neun Jahre im besten Tennisalter nicht auf der Tour. Aber das ist mein Weg und der war gut so.

Ist es der Weg, weil bei Ihnen alles so früh angefangen hat?
Vielleicht. Aber damals waren auch andere mit 14 Jahren schon auf der Profitour. Steffi Graf, Monica Seles oder Jennifer Capriati. Ich durfte mit 13 Jahren drei Profiturniere spielen, mit 14 waren es acht und mit 15 erlaubten die Regeln damals 15 Turniere. Ab 16 durfte man dann so viel spielen, wie man wollte.

Ihre Mutter hat Sie immer sehr eng begleitet. Das hat auch zu Spannungen geführt. Wie bei vielen anderen jungen Tennisspielerinnen. Haben junge Tennisspielerinnen ein Revoluzzer-Gen?
Ach was. Die Jungs sind doch viel schlimmer, denen darf man mit 15 Jahren schon nichts mehr sagen. Als ich so jung so viel gewonnen habe, da wurde ich von allen auf Händen getragen. Nur meine Mutter hat mich kritisiert. Da hat es halt hin und wieder geknallt. Aber es gab keine Phase, in der wir nicht mehr miteinander geredet haben.

Sie sind jetzt seit eineinhalb Jahren selber Mutter. Hat dieser Umstand Ihr Bild von der eigenen Mutter nochmals verändert?
Ja, das denke ich schon. Ich bin jetzt noch eine Spur dankbarer, weil ich sehe, wie viel sich im Leben verändert und was man als Mutter für sein Kind alles macht. Und erkenne, was meine Mutter mit ganz bescheidenen Möglichkeiten und lange auf sich allein gestellt alles für mich getan hat. Ich denke heute schon, dass ich in gewissen Zeiten ihr gegenüber schon etwas netter hätte sein können …

Und jetzt muss die quirlige Martina mit einem kleinen Kind auch etwas Geduld lernen?
Das ist so, ja. Auf der anderen Seite entdecke ich auch das Kind in mir wieder selber. Ich kaufe für uns auch Spiele und Spielsachen, die mir selber Spass machen.

Martina Hingis ist mit 40 Jahren zur Ruhe gekommen?
Nein. Ich geniesse die Zeit und fühle mich in der jetzigen Lebensphase sehr wohl. Aber ich brauche auch Freiraum, ich muss auch raus. Ein klassisches Hausfraueli werde ich nie. Zum Glück habe ich mit Harry einen Mann gefunden, der mich sehr unterstützt. Er hat bis 36 Jahre allein gewohnt. Er weiss, wie man kocht und wäscht. Und er hat als Arzt auch keinerlei Berührungsängste unserer Tochter gegenüber. Das ist toll. So habe ich auch meine Freiheiten. Ich gehe dreimal in der Woche reiten und trainiere dreimal in der Woche mit meiner Mutter junge Tennistalente. Im Bereich Coaching werde ich im Tennis immer etwas machen.

Vermissen Sie den Tenniszirkus?
Ich war jahrelang 40 Wochen im Jahr unterwegs. Und jetzt noch zwei-, dreimal. Natürlich gibt es da Momente, wo einem auch mal die Decke auf den Kopf fällt. Aber das geht wohl allen Menschen so. Darum ist es schade, dass die Legenden-Turniere in Paris und in Wimbledon wegen Corona abgesagt worden sind. In Paris hätte ich zusammen mit Mary Pierce Doppel gespielt.

Sie wohnen in der Innerschweiz und haben sich jetzt in Bad Ragaz einen Pferdestall gebaut. Warum?
Ich war in meiner Jugend viel in Bad Ragaz. Wir sind mit den Velos und den Rollerblades hierher gefahren. Es ist ein Stück Heimat. Hier habe ich vor 22 Jahren Land gekauft. Und es war immer ein Traum von mir, einen eigenen Pferdestall zu haben. Den haben wir jetzt gebaut. Ich wusste ja nicht, dass es mich in die Innerschweiz verschlägt. Aber ich werde immer mal wieder hier sein.

Sie wohnen dann jeweils im Grand Hotel Quellenhof. Eine noble Adresse?
Ich bin Botschafterin dieses tollen Hauses und habe darum das Privileg, dass ich immer ein Zimmer bekomme. Das ist unsere Wohlfühloase, hier kann ich den Kopf lüften und habe auch mal einen Tapetenwechsel. Ich werde immer mal wieder hier sein und eines meiner drei Pferde mitbringen, um in der alten Heimat auszureiten.

Gibt es für Sie zum 40. Geburtstag noch Wünsche und Träume?
Das, was sich alle Menschen wünschen. Gesund sein, zufrieden sein, das Leben geniessen. Ich hatte eine turbulente Jugend und stand sehr früh im Scheinwerferlicht, obwohl ich das eigentlich gar nicht so gern habe. Bei mir kam die Sturm- und Drangphase zwischen 25 und 35. Da hat man schon eine gewisse Lebenserfahrung ist aber immer noch jugendlich. Jetzt bin ich in einer nächsten, einer anderen Phase. Aber ich freue mich auf die Zukunft. Und mache mir keine Gedanken über die 40, die ich jetzt halt auf dem Rücken trage. Ich weiss nicht mal, ob es bei unserem Grillfest im Stall einen Kuchen mit 40 Kerzen gibt.

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