Darum gehts
Es ist die 24. (!) Profi-Saison, die Stan Wawrinka heuer in Angriff genommen hat. Und der Romand hat kein bisschen an Leidenschaft und Ehrgeiz eingebüsst. «We keep pushing», schrieb er kürzlich in einem Instagram-Beitrag, um seinen Tatendrang zu untermauern. Auch als aktuell ältester Spieler auf der ATP-Tour treibt sich Wawrinka noch regelmässig ans Limit – oder darüber hinaus. Nach dem schwierigen Jahresstart mit vier Startniederlagen en suite lanciert er jetzt in Neapel die Sandplatz-Saison und steht dort im Viertelfinal.
Nun feiert «Stan the Man» seinen 40. Geburtstag. Und die Schweizer Tennis-Gemeinde nimmt dies zum Anlass, sich vor dem dreifachen Grand-Slam-Champion, Olympiasieger im Doppel und Davis-Cup-Sieger zu verneigen. Mit persönlichen Anekdoten, welche die Weggefährten exklusiv im Blick erzählen.
Roger Federer (43)
Olympia- und Davis-Cup-Teamkollege von Wawrinka, Freund, Rivale.
«Alles Gute zum 40. Geburtstag, Stanley – aka the Stanimal! Ich habe im Laufe der Jahre so viele unglaubliche Momente mit Stan geteilt, aber einige meiner Lieblingsmomente werden immer der Gewinn von Olympia-Gold im Doppel und des Davis Cup sein. Jener Davis-Cup-Final 2014 in Lille ist mir besonders in Erinnerung geblieben. Nachdem ich am Eröffnungstag in drei Sätzen verloren hatte, kam Stan auf mich zu und fragte: ‹Gehts deinem Rücken besser?› Ich zögerte einen Moment, denn ehrlich gesagt hielt mein unterer Rücken kaum stand, aber ich sagte ihm, dass es während des Matches nach und nach besser wurde. Ohne eine Sekunde zu zögern, nahm er meine Tasche und sagte: ‹Das ist grossartig, das ist alles, was wir brauchen. Let’s go.›
Dieser Moment, obwohl klein, bedeutete alles. Er war der pure Stan. Fokussiert, entschlossen und immer vorwärtsdrängend. Er gab mir genau das, was ich brauchte: Glaube, Stärke und die Erinnerung daran, dass wir das gemeinsam durchstehen.
Es war ein Privileg, Stan dabei zuzusehen, wie er sich auf der Tour entwickelt hat. Von jener frühen Phase in seiner Karriere, in der ich ihm noch geholfen habe – bis hin zum Punkt, an dem ich auch mal gegen ihn verlor. Wie 2014 in jenem unvergesslichen Final von Monte Carlo, nachdem wir uns noch gemeinsam aufgewärmt hatten (6:4, 6:7, 2:6).
Es ist erstaunlich, dass er immer noch seiner Leidenschaft nachgeht, und ich kann nicht glauben, dass er schon 40 ist! Aber wie ich Stan kenne, geht es ihm wohl gleich. Cheers to you, Stan. Auf viele weitere magische Jahre auf und neben dem Platz!»
Jil Teichmann (27)
Aktuelle Weltnummer 96
«Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich Stan kennengelernt habe. Das war 2014 und ich reiste als Juniorin nach Australien. Ich habe dort – ganz schüchtern – um ein Foto mit ihm gebeten. Jahre später war er beim United Cup unser Schweizer Team-Captain. Allein dies hatte für mich schon einen Wow-Effekt. Ich habe Stan als sehr coolen, engagierten Teamplayer in Erinnerung. Ich spielte jeweils am selben Tag wie er. Und doch sass er nach seiner Partie, nach einer ganz schnellen Dusche, sofort wieder bei meinem Match in der Box. Er brachte eine unglaubliche Energie ins Team.»
René Stammbach (69)
Präsident Swiss Tennis
«Der Davis-Cup-Final Frankreich – Schweiz vor etwas mehr als zehn Jahren war unvergesslich. Drei Tage lang war das Fussballstadion Pierre-Mauroy, das zu einem Tennis-Hexenkessel für 28'000 Zuschauer umgebaut wurde, ausverkauft. Stan eröffnete mit einem Einzelsieg gegen Jo-Wilfried Tsonga – und steuerte dann mit Roger Federer im Doppel den zweiten, vorentscheidenden Punkt zum Sieg bei. Was für Emotionen, welche Leistung des Romands und des ganzen Teams! Rund 3000 Schweizer Fans verfolgten diesen Final. Lille glich in der Innenstadt einer Schweizer Exklave in Festlaune. Und ich bin heute noch stolz auf die Jungs, die das geschafft hatten. Merci et bon anniversaire, cher Stan!»
Michael Lammer (42)
Teamkollege im Davis Cup
«Ich bin sehr dankbar, Teil des erfolgreichen Davis-Cup-Teams von 2014 gewesen zu sein. Wir alle durften das erleben, weil wir mit Roger und Stan zwei Ausnahmespieler hatten. Und gerade Stan ist damals in Lille über sich hinausgewachsen. Weil Roger angeschlagen war, wusste er, dass er überperformen musste. Seine Auftritte werde ich mein Leben lang nicht mehr vergessen. Es war, als hätte es in der Halle von Lille jedes Mal ein Erdbeben gegeben – so hart schlug Stan die Bälle. Es war unglaublich, wie das klöpfte. Dieses Geräusch werde ich für immer in meinem Ohr haben. Überhaupt fand ich: Wenn Stan in seiner Blütezeit mal ins Rollen kam, dann gab es weltweit nicht viel Besseres.»
Belinda Bencic (28)
Aktuelle Weltnummer 45
«Ich kam das erste Mal mit Stan in Kontakt, als ich 2013 den Juniorinnen-Bewerb der French Open gewann. Stan hatte danach irgendwie meine Handynummer herausgefunden – und mir extra geschrieben und gratuliert. Für mich war das zu jener Zeit unglaublich cool. Ich hatte so grosse Freude, dass ich es all meinen Freunden zeigte. Ich empfand das als wirklich nette Geste von ihm.»
Marco Chiudinelli (43)
Davis-Cup-Teamkollege
«Im März 2010 spielten wir im Davis-Cup-Achtelfinal auswärts gegen Spanien. Die Begegnung fand in Logroño statt, irgendwo in der nordspanischen Provinz. Wir waren nicht in der Favoritenrolle, denn Roger Federer fehlte im Aufgebot – und Stan war eigentlich gerade Vater geworden. Jeder hätte es verstanden, wenn er unter diesen Umständen auf diese Davis-Cup-Reise verzichtet hätte. Doch Stan kam trotzdem und führte das Team an. Wir verloren am Ende mit dem Gesamtskore von 1:4. Doch dass Stan auftauchte, zeigte eindrücklich, wie viel ihm die Davis-Cup-Einsätze für die Schweiz bedeutet haben.»
Viktorija Golubic (32)
Aktuelle Weltnummer 92
«Wir haben eine schöne Gemeinsamkeit: Wir spielen beide eine einhändige Rückhand – und ich habe ihn für diesen Schlag definitiv immer bewundert. Und auch für die enorme Power, die er damit entwickeln kann.»
Leandro Riedi (23)
Aktuelle Weltnummer 293
«Zu Stans Karriere muss ich nicht viel sagen. Er ist eine Legende. Und es war mir immer eine Ehre, mit ihm trainieren zu dürfen. Es war beeindruckend, wie fest er sich jeweils ans Limit pushte – bis er sich beinahe übergeben hat. Er hat einfach immer weitergemacht. Diese Bereitschaft zu leiden, noch dazu im fortgeschrittenen Tennis-Alter, ist extrem. Er muss niemandem mehr etwas beweisen und macht es dennoch. Ich konnte viel von ihm lernen und profitieren.»
Heinz Günthardt (66)
Blick-Experte und Schweizer Billie-Jean-King-Cup-Captain.
«Ich hatte das Glück, als TV-Kommentator zahlreiche Partien von Stan live zu verfolgen. Dabei hat mich natürlich die unglaubliche Wucht, die er mit seinen Schlägen erzeugen kann, beeindruckt. Genauso wie seine wunderschöne einhändige Rückhand. Doch am meisten imponiert hat mir, wie viel dieser Mann imstande war, aus sich herauszuholen. Stan hat es geschafft, in der Ära von Roger Federer, Rafael Nadal und Novak Djokovic drei Grand-Slam-Titel zu gewinnen. Doch bei ihm war das Talent nicht so offensichtlich erkennbar wie bei den ‹Big 3›. Mittlerweile wissen wir: Stans grösstes Talent ist, dass er aus Möglichkeiten Fähigkeiten machen kann. Er hat es geschafft, das Maximum aus sich herauszukitzeln. Albert Einstein sagte einst: ‹Ein Genie besteht zu einem Prozent aus Talent und zu 99 Prozent aus Arbeit.› Stan Wawrinka ist der lebende Beweis dafür, dass Einstein damit richtig lag.»
Dominic Stricker (22)
Aktuelle Weltnummer 272
«Ich durfte schon viele schöne Momente mit Stan erleben. Ich denke da zum Beispiel an unser erstes gemeinsames Training zurück, bei dem ich sehr nervös war. Dann spielten wir auch einige Davis-Cup-Partien zusammen. Das grösste Highlight war aber sicherlich unser Doppel-Titel in Gstaad. Dieser Turniersieg vor heimischem Publikum war für uns beide ein mega tolles Erlebnis. Ich wünsche Stan alles, alles Gute zu diesem runden Geburtstag. Und ich hoffe, er macht es noch ganz lange und weiterhin so erfolgreich wie bis jetzt!»