Im Ski-Zirkus gibt es nur ganz wenige, die so viele dramatische Momente erlebt haben wie Sepp Brunner. Nachdem der gebürtige Steirer 2001 die Appenzellerin Sonja Nef zur Riesenslalom-Weltmeisterin geformt hatte, baute er im Schweizer Männer-Team die Kombi-Gruppe um Dani Albrecht, Beat Feuz und Carlo Janka auf. 2009 musste Brunner nach dem grausamen Sturz in Kitzbühel 21 Tage um Albrechts Leben bangen. Drei Jahre später litt er mit Feuz, der nach einem schweren Infekt das linke Bein zu verlieren drohte.
Nach dem goldenen Happy End mit Feuz bei der WM-Abfahrt 2017 in St. Moritz wechselte Brunner zurück in sein Heimatland, wo er beim ÖSV die Leitung der Abfahrts-Mannschaft übernahm. Und in dieser Funktion hat der mittlerweile 63-Jährige letzten Donnerstag einen weiteren Schocker erlebt.
Gemeint ist der Auftritt des dreifachen Olympiasiegers Matthias «Mothl» Mayer, der unmittelbar nach der Streckenbesichtigung in Bormio mit der Begründung – «es war schön, aber mir reichts jetzt einfach» – seinen Rücktritt erklärte.
«Damit hat mich Mayer wirklich komplett auf dem falschen Fuss erwischt», sagt Brunner. «Bei der Besichtigung hinterliess er bei mir noch den gleichen Eindruck wie im Januar 2020, als er in Kitzbühel die Abfahrt gewann. Damals war er vor dem Rennen genauso gut gelaunt wie vor diesem Super-G in Bormio. Deshalb konnte ich es nicht glauben, als man mir erzählte, Mayer habe soeben im ORF seinen Rücktritt erklärt.»
«Das Ganze wirkt mysteriös»
Dieses denkwürdige Interview im österreichischen Fernsehen hat sich Stephan Eberharter (53) mehrmals angeschaut. Und der zweifache Gesamtweltcupsieger (2001/02, 2002/03) zweifelt in seiner Kolumne in der «Kronen Zeitung» Mayers Erklärung an: «Das Ganze wirkt auf mich irgendwie mysteriös. Logischerweise ist seine Entscheidung voll und ganz zu akzeptieren. Aber ich habe das Gefühl, dass uns Mothl irgendetwas nicht sagt. Ich glaube, dass da mehr dahintersteckt. Etwas, das vielleicht erst in Zukunft aufgelöst wird.»
Der Riesenslalom-Olympiasieger von 2002 legt nach: «Das macht doch alles keinen Sinn! Da nimmst du die Qualen der Vorbereitung auf dich, inklusive des Aufwands fürs Südamerika-Camp. Da muss das Feuer in dir brennen, sonst machst du das ja gar nicht. Und dann beendest du von einer Minute auf die andere in Bormio die Karriere. Da bleibt doch zwangsläufig die Frage nach dem Warum im Raum stehen.» Mayers Abgang dürfte jedenfalls über diesen Winter hinaus Gesprächsstoff liefern.