Diese Geschichte ist ziemlich verrückt. Damit sie in der ersten Dezember-Woche in Beaver Creek die beiden Super-G und die Abfahrt bestreiten können, werden Urs Kryenbühl und Ralph Weber in den nächsten Wochen nicht auf Schnee, sondern unter der prallen Sonne Kaliforniens trainieren. Warum? Ab dem 8. November dürfen ausnahmslos Leute in die USA einreisen, die doppelt gegen Corona geimpft sind.
Kryenbühl und Weber, welche bis anhin den Anti-Covid-Stich abgelehnt haben, müssen deshalb bereits am Sonntag über den grossen Teich fliegen. «Wir haben bereits Monate vor der Grenzöffnung von den Amerikanern eine Spezialeinladung erhalten. Diese Einladung verliert aber ab dem 8. November ihre Gültigkeit» erklärt Swiss-Ski-Männerchef Tom Stauffer.
In den Sandspuren vom grossen Lasse Kjus
Und weil die Schweizer erst ab dem 21. November in Cooper Mountain eine Piste fürs Ski-Training erhalten, werden der Schwyzer Kryenbühl und der St. Galler Weber nach ihrer Landung in Los Angeles in den Abendstunden vom 7. November zur Überbrückung in Richtung Süden reisen. «Vom Flughafen in LA werden wir mit dem Zug nach San Diego fahren, wo es einige günstige Outdoor-Trainingsplätze gibt, wo auch ungeimpfte Athleten Zutritt haben» erklärt Kryenbühl.
Tom Stauffer denkt da vor allem an die Sportanlage der Universität in San Diego. «Dort trainieren im Normalfall vor allem Leichtathleten. Und hier werden auch Urs und Ralph eine gute Infrastruktur für ihr Kondition-Training vorfinden.» Ralph Weber erkennt in diesem Notprogramm auf jeden Fall eine Chance. «Es wird uns guttun, wenn wir vor dem Start in die Winter-Saison noch einmal ordentlich Wärme tanken. Der legendäre Norweger Lasse Kjus hat sich vor den Rennen in den Rocky Mountains auch immer während ein paar Wochen am Beach vorbereitet. Und der war damit bekanntlich sehr erfolgreich.»
Hans Knauss bekam der Strandausflug nicht gut
Dass sich ein Beach-Camp unmittelbar vor einem grossen Skirennen bezahlt machen kann, hat aber nicht nur der zweifache Gesamtweltcupsieger Lasse Kjus (50) mehrmals demonstriert. Der Österreicher Rudi Nierlich (verunglückte 1991 mit dem Auto tödlich) hat sich 1989 am Strand von Fort Lauderdale auf die WM in Vail vorbereitet. Ergebnis: Nierlich gewann Gold im Riesen und im Slalom.
Es gibt aber einen anderen berühmten Ösi, der seinen winterlichen Strandausflug bis heute bereut. Die Rede ist von Hans Knauss (50). «1998 bin ich nach den Olympischen Spielen in Nagano mit Hermann Maier auf die Insel Guam geflogen. Ich habe dort derart intensive Partys gefeiert, dass ich beim nächsten Rennen im südkoreanischen Yongpyong nicht leistungsfähig war und im ersten Durchgang ausgeschieden bin.» Überschwängliche Beach-Partys werden sich Kryenbühl und Weber aber nicht leisten können, schliesslich müssen die beiden Impf-Skeptiker die Kosten von ihrem Kalifornien-Trip aus dem eigenen Portmonnaie bezahlen.