Mikaela Shiffrin kann sich nicht zurückhalten. Die Angst vor dem Versagen macht sie kaputt. Ihr Körper rebelliert. Sie muss erbrechen. Und das kurz vor dem Rennen. Dieses Szenario war lange kein Einzelfall, der US-Ski-Star berichtete mehrfach darüber. Längst hat die fünffache Weltmeisterin und Doppel-Olympiasiegerin ihre Panik-Attacken im Griff. Jetzt erzählt die 25-Jährige gegenüber «People.com» erstmals detailliert, was einst vor den Rennen in ihr vorging.
Vor allem die Zeit nach den Olympischen Spiele in Sotschi 2014 – dort holte sie mit erst 18 Jahren Slalom-Gold – sei wegen des Drucks brutal gewesen, so Shiffrin. «Ich ging an den Start und war wie gelähmt. Ich hatte Tränen in den Augen. Dann dachte ich, ich müsse erbrechen. Oder ich hatte das Gefühl, dass sich mein Hals zuschnürt und ich nicht mehr atmen kann.» Das sei ihr fast in jedem Weltcup-Rennen während einer ganzen Saison passiert – immer etwa drei Minuten bevor es ernst galt.
«Es ist ok, sich hilflos zu fühlen»
Gewonnen hat Shiffrin dennoch meistens. Ruhe und Gelassenheit gab ihr das jedoch nicht. Im Gegenteil. «Ich dachte nie, dass ich eine Person bin, die wegen des Leistungs- und Erwartungsdrucks so Probleme haben könnte. Aber genau das war der Fall. Ich ging durch diese Phase und musste lernen, meinen Kopf, die Emotionen und den Stress zu kontrollieren.»
Dabei half Shiffrin nicht nur Mentaltraining. Nein, auch durch die Musik – sie spielt Klavier, Gitarre und singt – kommt sie auf andere Gedanken. Und dann ist da noch die Lebenserfahrung, die mitspielt. Wobei Shiffrin in den letzten neun Monaten brutale Schicksalsschläge erlebte. Im Oktober 2019 starb ihre geliebte Grossmutter, im letzten Februar 2020 dann auch ihr Vater Jeff nach einem Unfall. Und zuletzt kam noch die Corona-Krise dazu.
Shiffrin: «Meine Familie hat viel verloren. Manchmal ist es schwierig, sich nicht völlig hilflos zu fühlen.» Sie betont, dass sie im letzten Jahr viel gelernt habe. «Vor allem, dass es okay ist, sich nicht gut zu fühlen. Nicht immer gut drauf zu sein. Oder gar hilflos zu sein. Manchmal ist das alles ok.»