Marco Odermatt hat die erste Halbzeit von dieser Riesenslalom-Saison nach allen Regeln der Kunst dominiert. Drei von vier Weltcup-Riesen (Sölden, Val-d’Isère und Alta Badia) hat der 25-Jährige für sich entschieden. Was hebt den Nidwaldner vom Rest der Ski-Welt ab? Drei ehemalige Adelboden-Sieger geben die Antwort.
Hans Knauss (Ö, 51, Riesenslalom-Sieger 2003)
«Marco Odermatt wird ja gerne mit meinen überragenden Landsleuten Marcel Hirscher oder Hermann Maier verglichen. Aber dieser sensationell auftrumpfende Schweizer hebt sich mit einer ganz anderen Qualität von seinen Konkurrenten ab, als das in den Jahren zuvor die beiden Österreicher getan haben. Maier und Hirscher haben vor allem mit ihrem unglaublich kraftvollen Fahrstil gepunktet. Klar, richtig viel Kraft hat auch Marco. Aber was ihn auf den Ski noch viel mehr auszeichnet, ist sein einzigartiger Instinkt. Er meistert ganz viele heikle Rennsituationen mit seinem genialen Gefühl. Und deshalb kann er von niemandem kopiert werden, weil man den Instinkt im Gegensatz zu den Muskeln nicht trainieren kann. Diese Gabe erhält man entweder bei der Geburt, oder eben gar nie. Und genau deshalb wird Marco Odermatt in den nächsten Jahren nur schwer zu schlagen sein.»
Marc Berthod (CH, 38, Slalom-Sieger 2007, Riesen-Triumphator 2008)
«Odi ist für mich in vielerlei Hinsicht ein Phänomen. Ganz besonders fasziniert mich aber seine mentale Stärke. Sobald er sich im Startgelände befindet, kann er sich wie kaum ein anderer auf den Wettkampf fokussieren. Er ist aber auch ein Meister im Abschalten. Er gehört nicht zu denen, die sich in den Tagen vor einem Rennen den Kopf bezüglich des Wetters oder den Schneebedingungen zerbricht. Und dank dieser unbeschwerten Haltung neben der Piste vergeudet er sehr viel weniger Energie, als einige seiner Widersacher.»
Marc Girardelli (Lux, 59, Riesenslalom-Sieger 1989 und 1991)
«Ich bin Marco im Dezember erstmals zwischen dem ersten und zweiten Riesenslalom in Val-d’Isère persönlich begegnet. Bei dieser Gelegenheit ist mir vor allem sein gigantischer Oberkörper ins Auge gestochen. Diese Kraft gepaart mit der genialen Technik machen ihn meiner Meinung nach fast unbesiegbar. Mir ist bei dieser Begegnung aber auch aufgefallen, dass er an einem solchen Wettkampftag viel zugänglicher ist, als das bei einem Marcel Hirscher der Fall war. Er hat ein paar Stunden vor dem finalen Lauf ziemlich entspannt mit Fans gesprochen, was bei einem Hirscher nicht möglich war. Marco strahlt viel mehr Freude aus.»