Auf einen Blick
Spricht man mit Ski-Profis über ihre Kindheit, tönt es oft, als wäre eine Karriere vorbestimmt gewesen. «Ich wollte immer nur auf die Ski», heisst es da. Oder: «Ich stand auf den Ski, bevor ich richtig laufen konnte.» Im Fall von Janine Schmitt (24) war alles ganz anders. «Stimmt», sagt sie lachend. «Obwohl unsere Wohnung oberhalb von Wangs direkt an der Skipiste lag, mussten mich meine Eltern ziemlich überreden, damit ich nach draussen auf die Pisten ging.»
Am Ende gelang es mit einem Versprechen an die kleine Janine. «Es ist so schön Wetter draussen. Komm, wir machen zwei Fahrten und dann darfst du wieder rein», sagte Mutter Renata. Sie wusste genau, was ihre Tochter wollte. «Ich spielte für mein Leben gerne mit meinen Legosteinen. Da konnte ich Stunden verbringen, mir machte es einfach richtig Spass», erzählt Schmitt.
Heute ist die St. Gallerin eine der aufstrebenden Schweizerinnen im Ski-Zirkus. Im letzten Winter gewann sie die Gesamt- und die Super-G-Wertung im Europacup. Dadurch hat sie in diesem Winter einen fixen Startplatz im Weltcup – auch in St. Anton (Ö), wo sie wie schon zuletzt in St. Moritz (Rang 27) wieder punkten möchte. «Klar, ich würde gerne mal Olympiasiegerin werden oder den Gesamtweltcup gewinnen. Aber Ziele stecke ich mir nicht. Ich gebe einfach immer mein Bestes und nehme, was rauskommt.»
Dass die Karl-Schranz-Piste als eine der schwierigsten im Frauen-Kalender gilt, stört Schmitt nicht. «Ich stehe ziemlich stabil auf den Ski. Das wissen meine Eltern, weshalb sie auch überhaupt keine Angst haben – weder dann, wenn sie mich im Fernseher sehen, noch vor Ort.» Tatsächlich werden gleich mehrere Familienmitglieder am Arlberg hautnah verfolgen, wie sich Schmitt in Abfahrt und Super-G schlagen wird.
«Ich war nie ein Supertalent»
Wir treffen Schmitt auf dem Pizol. Hier machte sie ihre ersten Schwünge – das Skigebiet ist auch ihr neuer Sponsor. Die naheliegende Frage: Wie ist es überhaupt dazu gekommen, dass sie als ehemaliger Skimuffel doch noch vom Sportvirus infiziert wurde? Vielleicht war der Grund genau jener, dass ihre Eltern sie als Kind nicht dazu gezwungen haben. Sie kam so natürlich zum Skifahren wie auch zum Turnen, Ballett und Klavierspielen.
Mit 14 Jahren war Schmitt dann klar: «Ich will Skirennfahrerin werden.» Sie verliess das Elternhaus und lebte fortan im Internat des Sportgymnasiums Davos GR. «Heimweh hatte ich nicht, denn an den Wochenenden kehrte ich immer zurück.»
Schmitt ist sehr vielseitig interessiert. Dass ihre Maturaarbeit den Titel «Bandscheibenvorfall im Skirennsport» trug, kam allerdings unfreiwillig – mit 17 litt sie selbst darunter und auch heute begleitet sie das Thema. «Letzte Saison hatte ich Probleme, aber jetzt haben wir alles im Griff», sagt sie.
Tatsächlich ist Geduld eine ihrer grössten Tugenden. «Ich war nie ein Supertalent, blieb aber immer dran.» Schmitt baute ihre Karriere ohne Hast, dafür sehr kontinuierlich auf – fast wie einst als Mädchen beim Spielen mit ihren geliebten Legosteinen.