Auf einen Blick
Sechs Schweizer unter den ersten drei – für viele Österreicher kommt dieses Ergebnis in der Männer Team-Kombination bei ihrer Heim-WM der Höchststrafe gleich! Während das Swiss-Ski-Team erstmals seit der WM-Abfahrt 1987 in Crans Montana einen kompletten Medaillensatz abräumt, scheiden drei von vier Ösi-Teams aus.
Der Vater von Gold-Hoffnung Vincent Kriechmayr spricht nach der enttäuschenden Abfahrts-Vorstellung (Rang 13) seines Juniors im ORF von einem Wettbewerbsnachteil: «Vincent hatte das Pech, dass vor seinem Start mit der Nummer 14 das Rennen wegen Nebel unterbrochen wurde. Während dieser Unterbrechung ist die Piste langsamer geworden.»
Was Kriechmayr Senior bei seiner Analyse übersieht: Franjo von Allmen geht unmittelbar nach dem «Vinc» ins Rennen und realisiert die zweitbeste Zeit. Einzig Abfahrts-Bronzegewinner Alexis Monney ist ein paar Hundertstel schneller als Super-Franjo. Im Slalom dreht Loïc Meillard dieses Ergebnis aber um. Und weil an der Seite von Stefan Rogentin auch noch Marc Rochat über sich hinaus wächst, darf sich Cheftrainer Tom Stauffer über das perfekte Ergebnis freuen!
Das Gold-Duo «Meilallmen»
Die Geschichte von Franjo von Allmen wird immer kitschiger. Der 23-jährige Zimmermann aus Boltigen im Obersimmental gewinnt bei seinem dritten WM-Rennen die zweite Goldmedaille! Und das, obwohl dem Abfahrtsweltmeister in der Kombi-Abfahrt nach rund dreissig Fahrsekunden ein krasser Linienfehler unterläuft. «In diesem Moment ist mir klar geworden, dass ich mich jetzt auch für Loïc zusammenreissen muss».
Das gelingt FvA derart gut, dass er im Ziel lediglich zwei Hundertstel hinter Alexis Monney liegt. Und weil LoïcMeillard im zweiten Teil dieses Ski-Krimis seiner Reputation eines Slalom-Giganten vollauf gerecht wird, geht das Duo «Meilallmen» als erste Team-Kombi-Weltmeister in die Ski-Geschichte ein. Riesenslalom-Vizeweltmeister Meillard darf sich damit erstmals über Gold bei Welttitelkämpfen freuen. «Der emotionale Wert von dieser Medaille ist extrem hoch. Was ich mit Franjo in diesem Wettkampf erlebt habe, werde ich mein ganzes Leben lang in meinem Kopf behalten», sagt der Walliser und ergänzt: «Diese Team-Kombination ist mental viel schwieriger zu meistern, weil du nicht nur auf dich schauen kannst. Du trägst ja auch eine Verantwortung gegenüber dem Teamkollegen, du musst auch für ihn Gas geben.»
Das schönste Lob erhält der 28-Jährige nach diesem mentalen Meisterstück von seinem kongenialen Partner von Allmen: «Ich hätte nicht in der Haut von Loïc stecken wollen, er hatte vor dem Slalom viel mehr Druck auf den Schultern als ich in der Abfahrt. Er hat das grandios gemeistert, er war in diesem Wettkampf viel cooler als ich!» Besonders starke Nerven benötigt in diesen Tagen auch von Allmens Onkel Emmanuel Kammer, der in seiner Backstube in Boltigen BE den nach dem Shootingstar benannten Lebkuchen-Riegel produziert: «Ich habe so viele Bestellungen erhalten, dass ich mit der Produktion fast nicht mehr nachkomme.»
Silber für die Romands
Für Slalom-Trainer Matteo Joris ist es der Genfer Tanguy Nef, der in dieser Team-Kombi die aussergewöhnlichste Leistung zeigt. «Tanguy hat im Weltcup noch nie den Sprung auf das Podest geschafft, er ist schon ein paarmal nach einem starken ersten Lauf im Final ausgeschieden. Deshalb ist es ein mentales Meisterstück, dass er als Halbzeit-Leader bei einer WM diese Silbermedaille derart souverän gesichert hat!»
Nef relativiert: «Ich habe vor meinem Start gehört, dass Loïc Meillard die Führung übernommen hat. Somit war klar, dass ein Schweizer Duo dieses Rennen gewinnen wird. Diese Gewissheit hat mir etwas Druck weggenommen.» Aber ohne Nefs Leistung schmälern zu wollen: Die Basis für dieses Silber hat Alexi Monney mit seiner grandiosen Abfahrtsbestzeit gelegt.
Bronze für das Duo «Röstigraben»
Von allen Schweizer Paarungen gehen Stefan Rogentin und Marc Rochat mit dem geringsten Kredit in diesen Wettkampf. Der Bündner Rogentin ist bei dieser WM in den Einzelrennen (9. im Super-G, 12. in der Abfahrt) unter den Erwartungen geblieben. Der Waadtländer Rochat hatte mit vier Ausfällen in Serie einen miserablen Start in diesen Weltcup-Winter. Dennoch beginnt Rochat, der sich mit dem 10. Rang in Adelboden für die WM qualifiziert, bereits am Dienstagabend daran zu glauben, dass der nächste Tag ein Happy End beinhalten wird.
«Beim Blick auf die Wetterprognosen habe ich registriert, dass es wärmer wird. Somit war mir klar, dass die Piste mit viel Salz präpariert wird. Und salzige Pisten liegen mir besonders gut.» Nach Rogentins achtem Rang in der Abfahrt ist sich der Sohn von FIS-Vorstandsmitglied Jean Philipp Rochat seiner Sache noch sicherer: «Rogi hat mir die perfekte Position verschafft. Dank seiner Platzierung durfte ich den Slalom unmittelbar nach dem TV-Break in Angriff nehmen. Das ist deshalb ideal, weil in dieser TV-Werbepause die Piste noch einmal ausgerutscht wird.»
Und tatsächlich: Rochat gelingt der Lauf seines Lebens und so darf er sich wie Rogentin über die erste WM-Medaille freuen. Dieses Edelmetall dürfte gleichzeitig der Beginn einer wunderbaren Freundschaft sein. «Vor dieser WM habe ich als Speed-Fahrer den Slalom-Spezialist Rochat nur oberflächlich gekannt, weil wir nur wenige Berührungspunkte hatten. Aber durch diese Team-Kombination habe ich Marc so gut kennengelernt, dass ich nun sogar seine Unterhosengrösse kenne», erzählt Rogentin augenzwinkernd.
Dass Rochat auf seinem besonders steinigen Weg an die Alpine Weltspitze nicht aufgegeben hat, ist auch auf die Krebs-Geschichte seiner Mutter zurückzuführen: «Weil meiner Mama nach der ersten Chemotherapie viele Haare ausgefallen sind, habe ich ihr einen Millimeterschnitt verpasst. Obwohl ihr die Haare so viel bedeutet haben, lachte sie in diesem Moment», erinnert sich Rochat. «Sie hat die Krankheit als neue Erfahrung angenommen. Deshalb habe ich in sportlichen Krisenzeiten immer wieder zu mir gesagt: Wenn Mama selbst in einer lebensbedrohlichen Situation gelacht und gekämpft hat, werde ich sicher nicht wegen ein paar Slalom-Ausfällen aufgeben.»
Mittlerweile hat Rochats Mama Camilla den Krebs gänzlich besiegt.