Als Marcel Hirscher im Dezember 2009 beim Riesenslalom in Val-d’Isère seinen ersten von insgesamt 67 Weltcupsiegen bejubelte, war Reto Mächler ein achtjähriger Knirps. «Hirscher war in technischer Hinsicht mein ganz grosses Vorbild», erzählt Mächler, der in Thalwil am Zürichsee gross wurde.
Am Sonntag begegnet der mittlerweile 23-Jährige seinem Jugendidol erstmals auf der Skipiste. Hirscher wird in Levi seinen ersten Weltcup-Slalom seit fünf Jahren bestreiten, Mächler gibt im selben Rennen sein Weltcup-Debüt. In Ehrfurcht erstarren wird die Schweizer Slalom-Hoffnung in der Nähe des Altmeisters aber nicht.
Mächler macht keinen Hehl daraus, dass auch er mit der Wildcard, die der achtfache Gesamtweltcupsieger von der FIS erhalten hat, nicht ganz einverstanden ist. «Ich habe nach wie vor sehr viel Respekt vor dem, was Hirscher bis zu seinem Rücktritt 2019 geleistet hat. Aber wenn ich bedenke, wie hart der Weg ist, den ein junger Rennfahrer bis zu seinem ersten Weltcupstart absolvieren muss, finde ich es nicht ok, dass er nach einer fünfjährigen Pause mit einer tiefen 30er-Nummer zurückkehren kann.»
Harte Schule
Auf dem Weg in den alpinen Weltcup hätte Mächler um ein Haar die Ausfahrt in Richtung Zürcher Letzigrund genommen. Neben dem Skisport lieferte er bis zu seinem 15. Lebensjahr als Stürmer im Nachwuchs des FC Thalwil auch auf dem Fussball-Platz überdurchschnittliche Leistungen ab.
«Die Akademie des FC Zürich war damals ein Thema für mich. Aber weil ich zum selben Zeitpunkt die Aufnahmeprüfung der Sportmittelschule in Engelberg geschafft habe, habe ich mich dafür entschieden, voll auf die Karte Skirennsport zu setzen.» Mit seiner brillanten Technik schaffte Mächler schnell den Sprung in den C-Kader. «Mit 18 Jahren war Reto aber in physischer Hinsicht nicht so weit, wie wir und das gewünscht hätten», erinnert sich Alpin-Direktor Hans Flatscher, der damals bei Swiss Ski die Rolle des Nachwuchschefs inne hatte.
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«Zum Glück wurde er dann von unserem legendären Konditionstrainer Reto Weisskopf zurecht geschliffen», schmunzelt Flatscher. Entsprechend gelang dem «Seebueb» Mächler im Januar 2022 in der zweiten Liga des Skisports erstmals der Sprung aufs Podest – beim Europacup-Slalom im französischen Vaujany wurde er Dritter.
Die jüngere Schwester hat schon Weltcup-Erfahrung
In den letzten beiden Wintern musste aber auch Mächler die Erfahrung machen, dass der Slalom ein brutaler Psycho-Sport ist. «Weil ich nach den ersten Europacup-Erfolgen zu sehr auf Sicherheit gefahren bin, sind die guten Ergebnisse auf einmal ausgeblieben und ich habe angefangen, mich zu verkopfen.» Diese mentale Blockade löste sich im letzten Sommer in Neuseeland – Mächler triumphierte bei einem Slalom im Continetal-Cup. Letzte Woche sicherte er sich schliesslich in der teaminternen Qualifikation den letzten Startplatz für Levi.
Reto ist in seiner Familie aber nicht der Erste, der im Weltcup starten darf. Seine vier Jahre jüngere Schwester Janine wurde bereits in der letzten Weltcup-Saison in Levi, Flachau und Killington eingesetzt. Die Qualifikation für den zweiten Durchgang hat Janine aber noch nie geschafft. Da könnte sie der Bruder am Sonntag in Levi überflügeln.