Feldkirch, am Montag um 9.40 Uhr: Der Schweizer Abfahrts-Co-Trainer Manfred Widauer erreicht mit seinem Swiss-Ski-Audi die Grenzstation. Das Reiseziel des gebürtigen Tirolers ist Wengen, wo er in den beiden Lauberhorn-Abfahrten mit seinen Schützlingen am Freitag und Samstag gross auftrumpfen will. Vor dem Übergang in die Schweiz konsultiert der 48-Jährige noch einmal sein Handy.
In diesem Moment stockt dem «Mani» wegen einer Whatsapp-Nachricht von FIS-Mann Mike Kertesz der Atem. «Geschätzte Trainer und Athleten, stoppt bitte eure Anreise nach Wengen. Die Lage im Berner Oberland muss wegen der Corona-Entwicklung im Berner Oberland neu beurteilt werden.» Widauer stellt sich in diesem Moment wie alle Mitglieder der Ski-Familie die alles entscheidende Frage: «Was ist bloss in Wengen über Nacht passiert?»
Erst grünes Licht – dann der Alarm
Am Sonntagnachmittag hat die Gesundheitsbehörde des Kantons Bern trotz ansteigenden Corona-Zahlen in Wengen grünes Licht für die Durchführung der Lauberhornrennen gegeben. Doch als am Montagmorgen die neusten Covid-Zahlen in der Berner Gesundheitszentrale eintreffen, drücken die Behörden auf den Alarmknopf. Über britische Touristen soll die mutierte, aggressivere Corona-Variante an den Fuss von Eiger, Mönch und Jungfrau gelangt sein.
Gemäss BLICK-Recherchen wurden in Wengen zwischen Sonntag und Montag noch einmal mehrere Leute positiv getestet.
Deshalb verkündete die Berner Gesundheitsdirektion am Montag kurz nach 15 Uhr die Absage der 91. Lauberhornrennen!
Fuchs: «Absage ist ein riesiger Schock»
Den 83-jährigen Fredy Fuchs trifft diese Absage besonders hart – der Ur-Wengener gehörte während 42 Jahren zu den wichtigsten Machern der längsten Abfahrt der Welt. Fuchs war Rennleiter und Vize-Präsident. «Die Piste war selten in einem so guten Zustand wie in diesem Jahr. Dass wir nun trotzdem keine Rennen austragen können, ist für mich ein riesiger Schock.»
Und dann nimmt Fuchs die höchste Instanz im Land ins Visier: «Ich kann nicht verstehen, dass der Bund zugelassen hat, dass in dieser kritischen Phase über Weihnachten so viele Touristen ohne negativen Covid-Test bei uns Urlaub machen durften. Kein Wunder, dass wir jetzt so viele Corona-Fälle bei uns haben.» Stellt sich die Frage, wie viel diese Absage kostet. Es sind rund zwei Millionen an Werbe- und TV-Einnahmen, die flöten gehen. «Ich kann nur hoffen, dass die Versicherung diesen pandemiebedingten Schaden übernimmt. Ansonsten könnte das den Untergang für unser Rennen bedeuten.» Beim OK in Wengen geht man zwar davon aus, dass die Versicherung den pandemiebedingten Schaden übernimmt. Aber es gibt bekanntlich viele Unternehmer, die in diesen Zeiten auf ihrer Versicherer gesetzt haben und enttäuscht worden sind …
Vom Leid der Wengener profitieren die Kitzbüheler, welche die Lauberhornrennen übernehmen dürfen. Am kommenden Wochenende werden am Ganslernhang zwei Slaloms gestartet. Für übernächste Woche sind auf der Streif zwei Abfahrten und ein Super-G vorgesehen.