Aus, vorbei – das wars mit dem erhofften Podestplatz am Chuenisbärgli! Genau das denkt sich Halbzeit-Leader Loïc Meillard, als er am Samstag im zweiten Lauf kurz vor der letzten Zwischenzeit einen schweren Fehler begeht. Der 24-jährige Walliser kämpft trotzdem weiter, geht vor allem im Steilhang voll ans Limit.
Und als er im Ziel auf die Anzeigetafel schaut, traut er seinen Augen kaum, weil hinter seinem Namen die 3 aufleuchtet. Wären die Zuschauerränge voll, von den Schweizer Ski-Fans würde mächtiger Jubel aufbranden. «Nach diesem groben Patzer ist der dritte Platz wirklich wie ein Sieg für mich», frohlockt Meillard, der seinen Teamkollegen Marco Odermatt wegen zwei Hundertsteln vom Podest stösst.
In den letzten Rennen hatte der Sohn des ehemaligen Schweizer Rekordhalters im Speed-Skiing (220 km/h) die Hundertstel oft gegen sich. Im ersten Riesenslalom in Santa Caterina verpasste Meillard das Podest als Vierter, weil Marco Odermatt drei Hundertstel schneller war. 48 Stunden später musste er sich erneut mit dem vierten Rang begnügen – diesmal war Filip Zubcic drei Hundertstel schneller.
Dass sich der Bruder von Mélanie Meillard (22) nun seine erste Glocke am Chuenisbärgli in derart aussergewöhnlicher Manier erkämpft hat, ist bezeichnend. Meillard hat in seinem Leben sehr früh gelernt, was richtig harte Arbeit bedeutet. Nach der Geburt im Kanton Neuenburg ist er in Hérémence unweit der berühmten Staumauer Grande Dixence aufgewachsen.
Harter Kampf als Teenie
«Ich war in meiner Schulklasse einer der wenigen, die keine Playstation hatten. Mein Spielzimmer war die Bergwelt um Grande Dixence herum.» Und im Gegensatz zu den meisten anderen Weltcup-Stars stammt er auch nicht von einer Sportschule. Meillard, der bei seiner Konfirmation nur 1,50 Meter gross war, musste zwischen seinem 16. und 19. Lebensjahr besonders hart kämpfen, weil er neben dem Rennsport eine klassische Banklehre meistern musste.
«Obwohl ich im ersten Lehrjahr in der Berufsschule aufgrund von meiner Doppelbelastung knapp genügende Noten hatte, forderte die Schulleitung bei meinem Ausbildungsbetrieb, dass ich das Jahr wiederhole. Sie waren der Meinung, dass ein Lehrling, der im ersten Jahr knapp genügen würde, in den folgenden Jahren keine Chance hätte.»
Doch Loïc setzte sich auch hier in seiner einzigartigen Manier durch: «Ich war mir sicher, dass ich die Lehre ohne diese Extrarunde schaffen würde. Und zum Glück hat mich mein Lehrmeister in meinem Vorhaben voll unterstützt. Und im Endeffekt habe ich diese Ausbildung ja dann auch in der normalen Zeit mit einer genügenden Note abgeschlossen.»
Die Maximalnote am Chuenisbärgli sichert sich in diesem Jahr Alexis Pinturault – mit zwei überlegenen Riesen-Siegen innert 24 Stunden. Meillard pflegt trotz dieser Dominanz ein freundschaftliches Verhältnis zum Franzosen, der mittlerweile 33 Weltcupsiege auf dem Konto hat: «Alexis und ich reisen oft zusammen. Dabei kann ich mich mit ihm wunderbar über den Skisport und viele andere Dinge unterhalten.»
Die Norwegen-Connection
Meillard und Pinturault verbindet auch die Affinität zu Norwegen. Alexis’ Mutter ist Norwegerin, Loïcs Herzdame heisst Rikke und ist die Schwester von Norwegens Alpin-Allrounderin Maria Therese Tviberg.
Aber während die Norweger in Adelboden durch die Verletzungen der Youngstars Lucas Braathen (Saisonende nach Bänderriss am Freitag) und Atle Lie McGrath (mehrere Wochen Pause wegen einer Bänderzerrung am Knie) arg gebeutelt werden, überzeugen unsere Schweizer auch im zweiten Chuenisbärgli-Riesen mit einer sehr geschlossenen Mannschaftsleistung. Hinter Meillard und Odermatt klassieren sich mit Gino Caviezel (7.) und Justin Murisier (10.) zwei weitere Ski-Genossen in den Top 10.
Schade nur, dass unsere Riesen-Truppe den verdienten Applaus nicht bekommt. Die Tribünen bleiben diesen Winter wegen Corona bei allen Rennen leer. Dafür klatschen wir noch einmal kräftig in die Hände.